Praxismanagement 07.11.2022
Zur Umsatzsteuer in Zahnarztpraxis und Eigenlabor
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Kaum ein Thema sorgt für mehr Abstimmungsbedarf zwischen Zahnarzt und Steuerberater als die Umsatzsteuer im Eigenlabor. Dabei sind Praxen mit Eigenlabor zwangsläufig mit der Umsatzsteuer, im Volksmund auch Mehrwertsteuer genannt, konfrontiert: Sie sind regelmäßig verpflichtet, auf die Einnahmen des Eigenlabors Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Im Gegenzug steht es ihnen zu, die in den Lieferantenrechnungen für das Eigenlabor ausgewiesene Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzuholen – Vorsteuerabzug genannt. Der folgende Beitrag bietet einen Überblick über mögliche Vorsteuerabzüge und stellt Tipps für die Zusammenarbeit mit dem Steuerberater bereit, damit auch kein Cent an Vorsteuer verloren geht.
Vereinfacht gesagt kann sich der Zahnarzt nur diejenige Vorsteuer aus von ihm bezahlten Rechnungen erstatten lassen, welche auch mit von ihm erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Leistungen im Zusammenhang stehen. Das führt zur Frage: Welche Leistungen des Zahnarztes aber sind umsatzsteuerpflichtig und welche nicht?
Heilbehandlungen
Heilbehandlungen, also zahnärztliche Leistungen, welche zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden und somit einem therapeutischen Zweck dienen, sind grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Der Zahnarzt darf auf seinen Patientenrechnungen für diese Leistungen keine Umsatzsteuer ausweisen und muss auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dies hat zur Folge, dass er aus seinen Eingangsrechnungen, welche im Zusammenhang mit seiner Heilbehandlung stehen, keine Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend machen kann. Hiervon betroffen sind z. B. alle Rechnungen für Praxismaterial, für Instandhaltungen von Praxisgeräten oder Behandlungseinheiten.
Hergestellte Prothetik im Eigenlabor
Die Herstellung von Zahnersatz im Eigenlabor ist umsatzsteuerpflichtig, auch wenn diese Teil der zahnärztlichen Tätigkeit ist. Darüber hinaus sind aber auch nicht medizinisch indizierte Leistungen oder kosmetische Leistungen des Zahnarztes umsatzsteuerpflichtig, wie zum Beispiel:
- Kosmetisches Bleaching
- Zahnschmuck
- Gutachten zum Zwecke der Kostenübernahme durch die Krankenkasse
- Gutachten für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung
- Vortragstätigkeiten
- Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer
- Überlassung von Praxis- und Operationsräumen, Ausstattung oder Personal an andere Zahnärzte
- Überlassung von Gold an Fremdlabore zur Herstellung von Zahnersatz
Der Zahnarzt hat für die oben aufgeführten Leistungen sieben Prozent (Prothetikleistungen des Eigenlabors) oder 19 Prozent Umsatzsteuer (für die anderen aufgeführten umsatzsteuerpflichtigen Leistungen) an das Finanzamt abzuführen. Gleichzeitig kann er aber aus den Eingangsrechnungen, die ihm im Zusammenhang mit diesen Leistungen gestellt wurden, die darin enthaltene Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen.
Kleinunternehmerregelung
Von dieser Regel ausgenommen sind die sogenannten Kleinunternehmer. Die Kleinunternehmerregelung besagt vereinfacht, dass man auf die Anwendung der Umsatzsteuer- und Vorsteuerregelungen verzichten kann, sofern die Summe aller umsatzsteuerpflichtigen Leistungen im Vorjahr weniger als 22.000 EUR und im laufenden Jahr voraussichtlich weniger als 50.000 EUR betragen. Dies betrifft in der Regel Praxen, die kein klassisches Eigenlabor haben, sondern lediglich zahntechnische Chairside-Leistungen erbringen.
Drei Fallvarianten
Es gibt drei Varianten, die bei der Beurteilung von Umsatzsteuer und Vorsteuer zu unterscheiden sind:
Variante A Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit steuerfreien Heilbehandlungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.
Variante B Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen (Eigenlabor-)Leistungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer in vollem Umfang als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.
Variante C Zahnarzt zahlt Rechnungen im Zusammenhang mit umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen und umsatzsteuerpflichtigen (Eigenlabor-)Leistungen = er kann die in diesen Rechnungen enthaltene Mehrwertsteuer teilweise als Vorsteuer vom Finanzamt zurückfordern.
Umsetzung im Praxisalltag
Führt der Zahnarzt umsatzsteuerpflichtige Leistungen aus und die Kleinunternehmerregelung findet keine Anwendung, ist die Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und seinem steuerlichen Berater von großer Bedeutung; denn aus den KZV-Einnahmen oder aus den monatlichen Einnahmen der Patienten sowie den Zahlungseingängen der Abrechnungsdienstleister lässt sich für den Steuerberater keine Unterscheidung in umsatzsteuerpflichtige oder umsatzsteuerfreie Einnahmen vornehmen. Diese Unterscheidung liefert aber die Praxis- und Laborsoftware. Aus deren monatlichen Auswertungen lassen sich die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen filtern. Anhand dieser Auswertungen ist der Steuerberater in der Lage, die richtige Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen und auch das Verhältnis der Mischumsätze zu errechnen. Gewisse Leistungen, wie z. B. kosme tisches Bleaching, sind eventuell nicht als umsatzsteuerpflichtig in der Praxissoftware hinterlegt. Hier sollten dem Steuerberater unbedingt Proberechnungen zur Überprüfung auf deren Richtigkeit vorgelegt werden.
Auswertungen per Knopfdruck
Ist die Praxis- und Laborsoftware einmal richtig eingestellt, lassen sich nahezu alle Auswertungen mit einem Knopfdruck anzeigen; auch die monatlich erbrachten umsatzsteuerpflichtigen Bleaching-Leistungen. Der Zahnarzt muss also keineswegs mühevoll alle Zahlungsausgangsbelege zu diesen Leistungen sammeln, um dem Steuerberater am Monatsende die richtige Anzahl an umsatzsteuerpflichtigen Bleaching-Leistungen mit zuteilen.
Eingangsrechnungen für Praxis (P), Labor (L) oder Mischumsätze (M)
Nachdem der Steuerberater mithilfe der oben genannten Maßnahmen nun alle notwendigen umsatzsteuerpflichtigen und umsatzsteuerfreien Leistungen ordnungsgemäß verbuchen kann, ist es in einem nächsten Schritt wichtig, dass dieser auch weiß, welche bezahlten Eingangsrechnungen den verschiedenen zahnärztlichen Tätigkeitsfeldern zuzuordnen sind. Der Zahnarzt sollte sich hier nicht alleine auf die Verbuchung des Steuerberaters verlassen, denn für diesen ist es oft kaum möglich, die medizinischen Begriffe in den Rechnungen richtig zu werten. Es muss eine klare Trennung zwischen Eingangsrechnungen für die Praxis, für das Labor oder für Mischumsätze der Praxis erfolgen.
Hier bietet es sich an, dass der Zahnarzt auf den Rechnungen vermerkt, ob es sich um eine Rechnung für die Praxis (P), für das Labor (L) oder für Mischumsätze (M) handelt. Diese Variante erfordert Disziplin und ist oft auch aufwendig.
Genaue Zustellung der Lieferanten
Einfacher ist es, der Zahnarzt lässt bei seinen Lieferanten verschiedene Kundennummern bzw. Lieferadressen anlegen. Alles, was die Praxis betrifft, wird dann an die Adresse Praxis Dr. Musterzahn geliefert und alles, was das Labor betrifft, wird an die Adresse Labor Dr. Musterzahn geliefert. Der Steuerberater kann dann bei der monatlichen Finanzbuchhaltung mühelos anhand der Rechnung erkennen, ob aus diesen Eingangsrechnungen Vorsteuer geltend gemacht werden kann oder nicht. Auch verschiedene Kundennummern helfen, dieses Problem zu lösen. Für eine fehlerfreie Umsetzung der oben genannten Methodik bedarf es selbstverständlich einer Einweisung derjenigen Mitarbeiter, die für den Materialeinkauf in der Praxis mitverantwortlich sind.
Tipp
Die Umsatzsteuerjahreserklärungen können in der Regel auch nach deren Einreichung beim Finanzamt und nach der Festsetzung der Steuer bis zu einem gewissen Zeitpunkt noch geändert werden. Hier kann es ratsam sein, für vergangene Jahre noch einmal die angewandten Regeln zur Vorsteueraufteilung mit dem Steuerberater zu besprechen.
Fazit
Auf den ersten Blick führt die Umsatzsteuerpflicht des Zahnarztes zu großem organisatorischem Aufwand und Unsicherheiten in der Umsetzung. Bei genauerer Betrachtung entstehen durch die Umsatzsteuerpflicht jedoch Chancen, die gezahlte Vorsteuer aus Eingangsrechnungen vom Finanzamt wiederzuholen. Bei größeren Investitionen kann es sogar vorkommen, dass der Anspruch auf Auszahlung von Vorsteuer höher ist als die Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer; Stichwort: CEREC. Um einen mühelosen Arbeitsablauf zu schaffen, sollte der Zahnarzt sich frühzeitig und regelmäßig mit dem Steuerberater abstimmen. Viele Leistungen kann dieser nicht einordnen und ist hier auf die Hilfe des Zahnarztes angewiesen. Eine Abstimmung hinsichtlich der Praxis- und Laborsoftware ist genauso wichtig wie eine Überprüfung der Tätigkeitsfelder des Zahnarztes auf umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerbare Umsätze. Nur so kann gewährleistet werden, dass auch wirklich jeder Cent Vorsteuer vom Finanzamt zurückgeholt wird und dem Zahnarzt kein wirtschaftlicher Schaden entsteht.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Praxis Wirtschaft erschienen.