Psychologie 28.02.2011
Der innere Schweinehund – ein kleiner Saboteur
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Umsetzung tut Not – so lässt sich knapp eines der zentralen Probleme in vielen Unternehmen umreißen, egal ob es sich dabei um eine Praxis oder ein international agierendes Großunternehmen handelt. Eine zentrale Ursache dafür sind die inneren Schweinehunde, die es sich in ihren Schlupfwinkeln bequem gemacht haben. Und zwar auf allen Unternehmensebenen, egal ob beim Chef, den leitenden Mitarbeitern, bei Angestellten oder dem Azubi.
Warum nur werden so viele Vorhaben im Berufsalltag so zähflüssig umgesetzt? Schuld daran sind häufig eine ganz besondere Art von Saboteuren: die inneren Schweinehunde. In wirtschaftlich instabilen Zeiten kommen noch selbstverstärkende Effekte hinzu. Es fällt dann doppelt schwer, sich und andere zu motivieren. „Ach!“, jammern die Schweinehunde gemeinsam, „alles wird immer schlechter und wir können nichts dagegen tun.“ Dabei käme es gerade jetzt darauf an, dass alle auf Hochtouren laufen.
Und nur nebenbei: Auch der Patient kommt selten allein! Einen kleineren, oft sogar etwas größeren Schweinehund hat auch er im Schlepptau. „Brauchst du das wirklich? Das ist ja nicht gerade billig!“, raunt er ihm vielleicht angesichts niedriger GKV-Zuschüsse und hoher Eigenbeteiligung zu.
Der innere Schweinehund – ein Charakterprofil
„Innerer Schweinehund? Ich habe ja manches in meiner Praxis, aber doch keine Schweinehunde. Den gibt es doch nicht!“, werden Sie vielleicht einwenden. Natürlich nicht: Es handelt sich dabei um ein sprachliches Bild für unsere inneren Widerstände und unsere Neigung, Aufgaben zu vermeiden und aufzuschieben. Ein sehr sympathisches Bild allerdings, ermöglicht es uns doch, auf humorvolle Weise einen Teil unserer Persönlichkeit zu betrachten, zu dem viele ein etwas gespaltenes Verhältnis haben.
Dabei sind die vorrangigen Ziele des Schweinehundes bei näherer Betrachtung häufig gar nicht mal so schlecht. Auch wenn sich seine Attacken zunächst negativ in der Bilanz auswirken: In vielen Fällen will der innere Schweinehund uns vor Überforderung und Überanstrengung schützen. Er will verhindern, dass wir unsere eigenen Grenzen auf schädigende Weise überschreiten und uns so zum Beispiel in einen Burnout manövrieren. Er will, dass es uns gut geht. Aber leider übertreibt er dabei manchmal ein wenig und übersieht geflissentlich die Kollateralschäden. Daher ist es erforderlich, ihm Grenzen zu setzen.
Leben mit dem Schweinehund
Der Schweinehund ist wie gesagt ein Teil unserer Persönlichkeit. Das bedeutet aber auch: Wir können vor ihm nicht weglaufen. Häufig wird versucht, den inneren Schweinehund mit eiserner Disziplin einzusperren. Das hat aber meist nur zur Folge, dass er zum Untergrundkämpfer wird – und seine Sabotageakte dann umso unerwarteter und heftiger ausfallen. Da wir dem Saboteur aber auch nicht die Herrschaft überlassen können (denn das würde über kurz oder lang zur Anarchie führen), müssen wir lernen, mit ihm zu leben. Das bedeutet zunächst, ihn als notwendigen Lebensbegleiter zu akzeptieren. Gleichzeitig geht es darum, Strategien und Mittel zu finden, die es uns ermöglichen, trotz unseres Begleiters und sogar mit ihm zusammen Ziele und Vorhaben zu verwirklichen.
Tummelplätze der Schweinehunde
Innere Schweinehunde sind Generalisten – sie sabotieren uns in allen Lebensbereichen. In Unternehmen und im Berufsleben haben sie sich vor allem auf drei Bereiche spezialisiert:
1. Sabotage des Wandels
Keine Praxis kann es sich heute noch leisten, einfach nur den Status quo zu verteidigen. Nur ständige flexible Anpassungen an ein sich änderndes Marktumfeld, an neue Patientengenerationen oder an aktuelle wissenschaftliche, technische oder rechtliche Entwicklungen sichern das Überleben. Schweinehunde mögen das alles nicht. Sie fürchten die Veränderung, sind träge und denken vor allem an ihren Besitzstand. Einer ihrer wichtigsten Sätze lautet: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Damit behindern Schweinehunde häufig notwendige Neuerungen.
2. Sabotage von Projekten
Auch Einzelprojekte finden sich immer wieder auf der Speisekarte der kleinen Saboteure. Sie müssen ein neues Qualitätsmanagementsystem einführen? Hygienevorschriften dokumentationssicher umsetzen? Sie wollen einen neuen Prophylaxeplatz in Ihren Praxisbetrieb integrieren? „Ach, schon wieder so eine Neuerung. Mal sehen, wie wir das umgehen können“, sagt der Schweinehund. Häufig stehen hinter solchen Sabotageakten individuelle Befindlichkeiten von Mitarbeitern: Angst vor Aufgabenverlust oder davor, übergangen zu werden; mangelnde Bereitschaft, auch mal neue Wege zu beschreiten. Oder notorische Bedenkenträger, die nicht glauben können, dass etwas tatsächlich funktionieren könnte.
3. Selbstblockade einzelner Mitarbeiter
Schweinehunde verbeißen sich gerne in Mitarbeiterbeine. Zum Beispiel, wenn es darum geht, sich weiterzubilden. Viele Mitarbeiter kommen von alleine kaum auf die Idee, nach geeigneten Angeboten Ausschau zu halten, um fachlich auf der Höhe der Zeit zu bleiben. „Der Chef wird sich schon drum kümmern“, raunt der innere Schweinehund. Und wenn er das dann tatsächlich tut und seine Mannschaft zur Schulung schickt, haben die Schweinehunde auch schon eine Ausrede parat: „Was? Lernen? Das ist mir zu anstrengend! Ich weiß doch schon alles.“
Grafik 1: Flow statt Stress und Langeweile.
Grafik 2: In der Anfangsphase überwiegt der Aufwand, später der Nutzen.
So werden Sie zum Schweinehund-Manager
Wie aber lassen sich die unterschiedlich gestrickten Schweinehunde Ihrer Mitarbeiter (und möglicherweise auch Ihr eigener) unter einen Hut bringen? Die beste Methode, die strategischen Züge der kleinen Saboteure schachmatt zu setzen, ist immer noch, ihnen klare Vorgaben zu machen – kurz: „Führen mit Zielen.“
Diese Methode stellt bis heute eines der wichtigsten Führungsmittel dar – leidet aber häufig daran, nicht konsequent genug umgesetzt zu werden. Dass auch bei diesem Vorgang ein paar ambitionierte Schweinehunde ihre Pfoten im Spiel haben, ist eine ebenso unbewiesene wie naheliegende Vermutung.
Worum geht es? Kurz gesagt: Führung erfolgt hier nicht durch Druck und Beherrschung, sondern mittels Selbstkontrolle. Vorgegeben werden die Ziele – wie sie erreicht werden, ist dann Sache der Mitarbeiter. Dass sie erreicht werden, wird aber erwartet. Kann nicht funktionieren? Vorsicht! Es könnte sein, dass da gerade Ihr Schweinehund gesprochen hat. Der Trick besteht darin, nicht nur Ihre Mitarbeiter ins Boot zu holen, sondern immer auch deren Schweinehunde. Die folgenden vier Schritte sind schweinehunderprobt.
Schritt 1: Klare Entscheidung
Der Erfolg steht und fällt mit der Eindeutigkeit der Entscheidung. Wenn Sie ein Projekt in Ihrer Praxis – z.B. die Umsetzung neuer Hygieneregeln – zusammen mit Ihren Mitarbeitern zum Erfolg führen wollen, müssen alle Ihre Entscheidung nachvollziehen können. Das bedeutet: Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter an dieser Entscheidung. Das heißt nicht, dass ab sofort alles gruppendynamisch ausdiskutiert werden muss. Aber Sie können auf diese Weise Einwände Ihrer Mitarbeiter (und ihrer Schweinehunde) in einem sehr frühen Stadium erkennen. Das ist besser, als Wochen später zufällig von den Vorbehalten zu erfahren.
Schritt 2: Ziele setzen
Das bedeutet in erster Linie: Schweinehundesichere Ziele setzen. Achten Sie dabei vor allem darauf, möglichst präzise zu formulieren (also nicht: „Diese neuen Regeln demnächst mal umsetzen!“, sondern „Bis zum 30.09.2010 ein Hygienemanagement nach folgenden Vorgaben umsetzen: …“). Achten Sie außerdem darauf, dass die Ziele machbar sind. Zu hoch gesetzten Etappen oder zu knappen Zeitvorgaben („Bis Ende nächster Woche ist alles fertig – die Praxis läuft doch automatisch!“) begegnen Schweinehunde gerne mit einem lapidaren „Das schafft ja doch keiner!“ – und schon ist wieder ein Ziel reif für den Reißwolf.
Schritt 3: Organisieren und umsetzen
In dieser Phase sind vor allem zwei Aspekte entscheidend: Stellen Sie zum einen sicher, dass Ihre Mitarbeiter in der Umsetzungsphase weder über- noch unterfordert werden. Überforderung schafft Stress, Unterforderung Langeweile. In beiden Szenarien haben die Schweinehunde leichtes Spiel, denn es gilt: Über- und Unterforderung sind die größten Motivationskiller. Wenn Sie dagegen jeden Mitarbeiter optimal im Rahmen seiner Fähigkeiten fordern und fördern, dann bleibt für Stress oder Langeweile kein Platz mehr, dann kommt der Spaß an der Sache und die Motivation von allein (es entsteht das, was der Motivationsforscher Mihaly Csikszentmihalyi „Flow“ nennt) – und für die Schweinehunde besteht kein Grund, zu intervenieren.
Berücksichtigen Sie zum anderen die erhebliche Widerstandskraft, die von eingefahrenen Verhaltensweisen ausgeht. Wer jahrelang nach einem bestimmten Schema gearbeitet hat, muss viel Energie aufwenden, um dieses Schema zu durchbrechen. Gleichzeitig erscheint gerade am Anfang der „return on investment“ häufig besonders gering. Dem Schweinehund passt das gar nicht: Viel Aufwand und wenig Ertrag. Aber das ist eben nur in der Anfangsphase so. Wer diese Phase durchsteht, erreicht bald den „magischen Punkt“, an dem sich das Verhältnis von Aufwand und Ertrag umkehrt. Wenn das Hygienemanagementsystem „sitzt“, wenn alle Abläufe trainiert und in den Arbeitsablauf integriert sind, dann hält sich der tägliche Aufwand für jeden Mitarbeiter Ihres Teams in Grenzen – und der Ertrag (perfekte Dokumentation, Infektions- und Haftungssicherheit) überwiegt.
Schritt 4: Erfolge feiern
Versäumen Sie auf keinen Fall, die erfolgreiche Umsetzung Ihres Projektes zu feiern. Tun Sie das nicht nur für Ihr Team und für sich, sondern auch für die Schweinehunde. Je angenehmer die Belohnung, desto ungestörter werden Sie bei Ihren kommenden Vorhaben arbeiten können.