Psychologie 18.10.2013
Die Krux mit den Verneinungen
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An dieser Stelle können unsere Leser der langjährigen ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie stellen – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. In dieser Ausgabe der ZWP wird erläutert, warum Verneinungen vom Gehirn ignoriert werden.
Anfrage: Ich höre bei Kommunikationstipps immer wieder, dass man Verneinungen im Gespräch mit den Patienten vermeiden sollte. Formulierungen wie „Sie brauchen keine Angst zu haben“ oder „Es tut nicht weh“ sollen ungünstig sein. Aus meiner Sicht geht es aber doch darum, den Patienten dahingehend zu beruhigen, dass seine Befürchtungen nicht eintreten werden. Ich würde gerne wissen, weshalb diese Formulierungen vermieden werden sollen und was stattdessen sinnvolle Sätze sein könnten. Im normalen Sprachgebrauch ist es üblich, viele Verneinungen zu verwenden. Wir sagen, was wir nicht möchten, wir denken darüber nach, was wir nicht mögen, und wir vermitteln anderen gerne, was sie nicht tun sollen. Sprachtechnisch gesehen ist das jedoch weder eindrücklich noch zielführend und führt häufig dazu, dass alles bleibt, wie es ist.
Eindruck im Gehirn
Wenn Sie sich den Satz „Sie brauchen keine Angst zu haben“ einmal genau vor Augen führen und überlegen, welches der Worte die meiste Energie besitzt und damit den stärksten Eindruck in Ihrem Gehirn hinterlässt, wird es das Wort „Angst“ sein. Die anderen Worte verblassen gegen dieses eine Wort. Um sich vorzustellen, dass man keine Angst hat, passiert also zunächst, dass ein Bild von einer angstbehafteten Situation auftaucht. Dieses können wir dann mit Willenskraft versuchen wegzuschieben, zu verkleinern oder zu ersetzen. Der erste Eindruck jedoch ist der von Angst. Geben Sie in der Google Bildersuche einmal „keine Angst“ ein und schauen Sie, wie erschrocken alle aussehen. An einem anderen Beispiel könnten Sie sich vorstellen, dass ein Auto nicht an Ihnen vorbei fährt. Auch hier werden Sie im ersten Moment innerlich ein Auto sehen. Sagen Sie Ihrem Patienten also, es werde nicht weh tun, hat er im ersten Moment den Schmerz vor Augen. Dieses Bild triggert eine Reihe von unangenehmen körperlichen Reaktionen. Bis das Gehirn aktiv verarbeitet hat, dass die Information beinhaltete, dass es keine Schmerzen gibt, sind die Stresshormone schon im körperlichen Umlauf.
Zielführend
Zusätzlich zum ersten Eindruck ist es immer hilfreich, zu wissen, wo es hingehen soll. Wenn Sie von Berlin nach Hamburg reisen möchten, sagen Sie am Schalter, dass Sie eine Zugfahrkarte nach Hamburg möchten. Sie würden wahrscheinlich kaum alle Städte aufzählen, zu denen Sie nicht möchten. Beim Bäcker wählen Sie Ihr Brot und treiben die Verkäuferin nicht damit in den Wahnsinn, dass Sie alle Brötchen aufzählen, die Sie nicht möchten (wahrscheinlich haben Sie jetzt eine verzweifelte Verkäuferin in Ihrer Vorstellung, obwohl geschrieben steht, dass Sie sie nicht in den Wahnsinn treiben würden). Es ist manchmal schon gut, zu wissen, was man nicht möchte. Besser ist es, zu wissen, was stattdessen erwünscht ist. Ihr Gehirn verarbeitet automatisch negative Eindrücke und es freut sich genauso, sobald es positive Eindrücke bekommt. Denn diese gilt es zu erreichen. Und damit wären wir bei den Alternativsätzen.
Alternativen
Welches innere Bild könnte einem Patienten helfen, der keine Angst haben möchte? Er möchte vielleicht ruhig sein, sich wohlfühlen, entspannt sein, schöne Musik hören, sich auf das Ergebnis der Behandlung freuen. All diese Visionen können Sie ihm vermitteln. „Sie können sich jetzt entspannen“, „gleich läuft Ihre Lieblingsmusik“, „stellen Sie sich einmal vor, wie Ihr Lächeln mit weißen Zähnen aussieht“. Es gibt bezogen auf die Wünsche der Patienten unzählige Alternativen zu dem Satz „Sie brauchen keine Angst zu haben“. Wenn es „nicht weh tun wird“ – vorausgesetzt, das ist wirklich der Fall – dann wird „die Stelle betäubt sein“ oder „es fühlt sich neutral an“. Geben Sie Ihren Patienten das Ziel vor und lenken Sie sie weg von den negativen Bildern. In der Kommunikation führen kleine Veränderungen oft zu großen Erfolgen. Es sind meist die unbedacht einher gesagten Sätze, die den Patienten unbewusst verschrecken können. Legen Sie sich ein Repertoire an Alternativsätzen an, die zu Ihrer Persönlichkeit passen, damit sich die Gehirne von Team und Patienten mit schönen Bildern entspannen können.