Recht 08.01.2013

Schadensersatzanspruch der GKV nach öffentlichem Recht

Schadensersatzanspruch der GKV nach öffentlichem Recht

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Bei fehlerhafter Prothetik und unzumutbarer Nachbesserung ist der Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegenüber dem Zahnarzt auf das öffentliche Recht zu stützen. Es überlagert zivilrechtliche Regelungen. Auf sozialrechtliche Gewährleistungspflichten des Zahnarztes kommt es nicht an, wenn die Nachbesserung dem Versicherten unzumutbar ist. Dies entschied das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.06.2012 (Az.: B 6 KA 35/11 R). Das BSG hat damit klargestellt, seine bisherige Rechtsprechung fortzusetzen.

Der Fall
Die Parteien haben um einen fehlerhaften kombinierten Zahnersatz im Oberkiefer gestritten. Die Krankenkasse der betroffenen Patientin hatte hierfür einen Zuschuss gewährt. Wegen des erheblichen Fehlers hielt der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Neuanfertigung des Zahnersatzes für zwingend. Auch ein weiterer Gutachter kam zu diesem Ergebnis. Der in dieser Sache angerufene Prothetik-Einigungsausschuss erließ schließlich einen Bescheid zu Lasten des Zahnarztes. Da anzunehmen sei, dass seine Nachbesserungen erfolglos bleiben würden, habe er die entstandenen Kosten zurückzuerstatten.

Hiergegen blieben Widerspruch und Klage erfolglos (SG Hannover, Urteil vom 11.02.2009, Az.: S 35 KA 592/04). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen wies eine folgende Berufung des betroffenen Zahnarztes zurück (LSG, Urteil vom 13.04.2011, Az.: L 3 KA 20/09). Die Versorgung habe nicht dem zahnärztlichen Standard entsprochen. Der Zahnarzt schulde zwar Leistung und keinen Erfolg. Jedoch treffe ihn nach Normen des Sozialgesetzbuches eine zweijährige Gewährleistungspflicht zur kostenlosen Nachbesserung. Nach 30 erfolglosen Versuchen sei diese unzumutbar.

Gegen diese Entscheidung legte der klagende Zahnarzt Revision zum BSG ein. Er rügte die Verletzung von Bundesrecht. Er war der Ansicht, der Anspruch auf Schadensersatz richte sich nach den Normen des Zivilrechts. Hiernach komme es da- rauf an, ob der Zahnarzt vertragswidrig gehandelt und dies zu vertreten habe. Der Zahnarzt behauptete, es käme nicht lediglich auf die Existenz von Mängeln an. So sähe es zwar das Sozialrecht vor. Das Sozialrecht sei aber nicht anwendbar, so der klagende Zahnarzt.

Die Entscheidung
Das BSG hat das Urteil des LSG bestätigt, dies aber in Teilen anders begründet. Streitgegenstand sei ausschließlich ein Verwaltungsverfahren vor dem Prothetik-Einigungsausschuss als Widerspruchsbehörde gewesen. Rechtsgrundlage seien daher die §§ 23 ff. des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z). Danach habe der Vertragszahnarzt die nach den
Umständen erforderliche Sorgfalt zu wahren. Ein Schadensersatzanspruch bestehe, wenn erstens zahnärztlicher Standard verletzt und zweitens eine Nachbesserung durch den erstversorgenden Zahnarzt unzumutbar sei. Das Zivilrecht sei weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Das Vertragsverhältnis zwischen Vertragszahnarzt und Versichertem sei im
Schwerpunkt öffentlich-rechtlicher Natur. Denn das Recht der gesetzlichen Krankenkassen (Sozialgesetzbuch V - SGB V) räume Patienten besondere Rechte ein, während es Ärzten Pflichten auferlege. Einer Entscheidung nach dem Gewährleistungsrecht des SGB V bedürfe es – anders als zuvor das LSG meinte – gar nicht.

Die wegen Mängeln fehlende Nutzbarkeit des eingegliederten Zahnersatzes indiziere einen Fehler des Zahnarztes. Er habe gegen zahnärztlichen Standard verstoßen. In welchem Bereich der jeweiligen Behandlungsphase der Fehler vorliege, sei ohne Bedeutung. Da alle Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch vorgelegen hätten, sei ein Vertretenmüssen des Zahnarztes anzunehmen. Objektiver Sorgfaltsmaßstab sei üblicherweise der eines durchschnittlichen Vertragszahnarztes. Auf individuelle Kenntnisse komme es nicht an. Das weitere Erfordernis liege darin, dass eine Nachbesserung der Patientin unzumutbar sein müsse. Dies sei bei – im zugrundeliegenden Fall – bereits mehr als 30 erfolglos durchgeführten Nachbesserungsversuchen anzunehmen. Von der Patientin könne daher nicht verlangt werden, eine Neuanfertigung durch denselben Zahnarzt vornehmen zu lassen.

Autor: Daniel Gröschl, Rechtsanwalt bei Ratajczak & Partner

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