Recht 15.12.2011
Urteil: „Patientenanzeigen“ für „Premium-Kunden“ unzulässig
Zugaben und Zuwendungen beim Absatz von Heilmitteln sind nur in eingeschränktem Umfang möglich. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat einem Medizinproduktehersteller mit Urteil vom 23.08.2011 (Az.: I-20 U 23/11) untersagt, Zahnärzten als Gegenleistung für die Verordnung von Zahnersatz Werbeanzeigen zu versprechen.
„Patientenanzeigen“ für „Premium-Kunden“
Ein Hersteller von Zahnersatz offerierte seinen Kunden folgendes Kundenbindungssystem: Er gewährte einigen von ihnen den Status eines „Premium- Kunden“, wenn diese einen bestimmten Mindestumsatz bei der Bestellung von Zahnersatz erreicht hatten. Der Hersteller verpflichtete sich, sogenannte „Patientenanzeigen“ zu veröffentlichen. Diese waren für die „Premium-Kunden“ kostenfrei. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. erachtete dieses als unzulässig und nahm den Medizinproduktehersteller vor dem Landgericht (LG) Duisburg auf Unterlassung in Anspruch, wo er erstinstanzlich mit Urteil vom 29.10.2010 zur Unterlassung verpflichtet wurde. Der Medizinproduktehersteller habe gegen die Regelung des § 7 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetztes (HWG) verstoßen, indem unzulässige Zuwendungen versprochen würden. Das beklagte Unternehmen legte gegen die Entscheidung Rechtsmittel ein. Nunmehr hatte sich der Berufungssenat des OLG Düsseldorf mit dem Fall zu beschäftigen. Das OLG Düsseldorf wies die Berufung des Medizinprodukteherstellers gegen die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 23.08.2011 zurück und bestätigte die Unterlassungsverpflichtung.
Produkt- oder Firmenwerbung?
Ebenso wie die Vorinstanz betonte der Berufungssenat, dass das HWG nur für produktbezogene Werbung (sog. Produktwerbung) gelte und nicht für die sogenannte Firmenwerbung (sog. Unternehmens- und Imagewerbung). Die Frage der Anwendung des HWG beantworte sich danach, ob bei der zu beurteilenden Werbung nach dem Gesamterscheinungsbild die Darstellung des Unternehmens (dann: Firmenwerbung) oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte (dann: Produktwerbung) im Vordergrund stehe. Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise sei das HWG folglich dann anwendbar, wenn die zu beurteilende Handlung als Werbung für konkrete Heilmittel aufgefasst würde. Diese Voraussetzungen erachtete das OLG Düsseldorf – ebenso wie zuvor auch das LG Duisburg – im konkreten Fall für gegeben.
„Patientenanzeigen“ als Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 HWG
Die angegriffene Werbepräsentation wende sich an einen bestimmten Kundenkreis, die sog. „Premium- Kunden“, die bei dem beklagten Medizinproduktehersteller einen bestimmten monatlichen Mindestumsatz erreichen würden. Sobald dieser erreicht ist, würde diesen ohne weitere Kosten ein zusätzlicher Vorteil gewährt, d.h. für den Zahnarzt bzw. die Zahnärztin „Patientenanzeigen“, die sich an (potenzielle) Patientinnen und Patienten, wenden, veröffentlicht. Der Vorteil liege nach Ansicht des OLG Düsseldorf auf der Hand, da die betroffenen Zahnärzte eine kostenlose Werbung für ihre Praxis erhalten, die anderenfalls mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre.
Gewährung eines unzulässigen Vorteils bei Kopplung an den Umsatz
In der Präsentation werde dies als „zusätzliche Leistung“ für „Premium-Kunden“ bezeichnet, so dass ersichtlich sei, dass dies nur bei Erzielung eines bestimmten Mindestumsatzes gewährt würde. Dies stelle nach Ansicht des OLG Düsseldorf den Bezug der Werbung zu dem Produkt (hier: Zahnersatz) dar. Der Berufungssenat erkannte, dass dieses Kundenbindungssystem über eine allgemeine Unternehmenswerbung weit hinausgehe und verwies auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 26.03.2009 (Az.: I ZR 99/07, deguSmiles & more) wo der Produktbezug aus der Kopplung eines Vorteils an einen bestimmten Mindestumsatz hergeleitet wurde. Das OLG Düsseldorf erachtete die Gestaltung und die Frage der Zulässigkeit der Anzeigen im Übrigen für irrelevant.
Hinweise für die Praxis: Gefahr auch für den Annehmenden
Mit der vorliegenden Entscheidung setzt das OLG Düsseldorf konsequent die Grundsätze um, die der BGH zur Frage der Trennung der produktbezogenen (und somit unter dem Anwendungsbereich des HWG fallenden) Werbung von der reinen Imagewerbung aufgestellt hat. Sobald eine Kopplung an den Absatz von Heilmitteln, zu denen neben Arzneimitteln und Medizinprodukte auch ärztliche Behandlungen zählen, gegeben ist, muss sich die Werbung an den Re- gelungen des HWG messen lassen. Von besonderer Bedeutung ist die Bestimmung des § 7 Abs. 1 HWG, welche ein grundsätzliches Zugabeverbot manifestiert, sofern nicht einer der Aus- nahmetatbestände vorliegt. Nach §7 Abs.1 Satz1 Nr.1 HWG sind zwar Zuwendungen von geringem Wert gestattet, jedoch vermochte das OLG Düsseldorf den vorliegenden Fall nicht unter diesen Ausnahmetatbestand fassen. Der BGH hatte mit den sog. „Apothekentaler- Entscheidungen“ vom 09.09.2010 ausgeführt, dass die Geringwertigkeit im Rahmen der Arzneimittelwerbung bei einer Zugabe mit einem Wert von 1,-- € gewahrt werde, bei einer Zuwendung mit einem Wert von 5,-- € hingegen nicht mehr. Hinzuweisen ist, dass das OLG Frankfurt die vom BGH festgestellte zulässige Wertgrenze von 1,-- € als an der Obergrenze des Zulässigen bezeichnet hatte. Das OLG Düsseldorf hat die Frage der Geringwertigkeit, da der Wert der „Patientenanzeigen“ offenbar erheblich oberhalb dessen lag, was der BGH als vertretbar erachtete, nicht weiter diskutiert. Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht das Risiko, was damit einhergeht, Kundenbindungssysteme an den Absatz von Heilmitteln zu koppeln. Aus heilmittelwerberechtlicher Sicht sind derartige Systeme unzulässig, wenn die Zuwendung, die versprochen wird, nicht mehr geringwertig ist. Hinzuweisen ist, dass auch Ärzte, Zahnärzte und andere Angehörige der Fachkreise gegen § 7 Abs. 1 HWG verstoßen, wenn sie unzulässige Zuwendungen annehmen.
Das OLG Düsseldorf hat es offen gelassen, ob die Grundsätze, die im Rahmen der Arzneimittelwerbung aufgestellt wurden, uneingeschränkt auch für die Werbung mit Medizinprodukten anwendbar sind. Gerade wenn höherwertige Medizinprodukte beworben werden, stellt sich die Frage, ob man den Umständen des Einzelfalls gerecht wird, wenn man hier als Geringwertigkeitsgrenze die im Rahmen der Apothekenwerbung entwickelten Grundsätze anwendet. Es bleibt abzuwarten, ob sich nicht in diesem Zusammenhang höhere Wertgrenzen durchsetzen. Bis dahin aber sollten die Grundsätze der „Apothekentaler-Entscheidungen“ bei jeder Heilmittelwerbung berücksichtigt werden.
Autor: Dr. Marc Sieper, Fachanwalt für Medizinrecht (Ratajczak & Partner Rechtsanwälte)