Recht 16.09.2011
Verhängnisvolle Kick-Back-Vereinbarungen
Immer wieder sind Kick-Back-Vereinbarungen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, da sie zum einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch begründen und zum anderen tatsächlich, was vielen Zahnärzten unbekannt ist, als Straftaten geahndet werden können. Daneben drohen dem Mediziner auch berufsrechtliche Konsequenzen. Gleichwohl werden derartige Vereinbarungen immer noch und immer wieder abgeschlossen.
In welchem Umfang tatsächlich Kick-Back-Vereinbarungen geschlossen werden, lässt sich nur vermuten, doch ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Dass trotz der drohenden Sanktionen derartige Vereinbarungen geschlossen werden, verwundert, mag aber daran liegen, dass so manchem Zahnarzt gar nicht bewusst ist, was unter einer Kick-Back- Vereinbarung zu verstehen ist. Um diese Problematik zu verstehen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu beachten, ist es zunächst erforderlich, den Begriff des „Kick-Back“ zu erklären.
Ein „Kick-Back“ liegt immer dann vor, wenn zwischen Zahnärzten und Herstellern bzw. Lieferfirmen für die Bestellung von Medizinprodukten Rabatte, Boni oder sonstige Vergütungen ausgehandelt werden. Der Zahnarzt erhält also für das bestellte Produkt eine Rückvergütung durch den Geschäftspartner. Derartige Vereinbarungen sind unproblematisch, soweit der Zahnarzt sämtliche Rückvergütungen, die er erhält, an den Kostenträger weitergibt, also darf die Rechnung lediglich die Kosten enthalten, die tatsächlich entstanden sind. Gibt der Zahnarzt die Vergünstigung nicht weiter, sondern behält sie für sich, so kann dies zu verschiedensten Konsequenzen für ihn führen. Zur Verdeutlichung dieses Problems sollen im Folgenden einige Entscheidungen der Rechtsprechung zu Kick-Back-Situationen dargestellt werden.
Fall
1
Im Jahr 2006 setzte sich der Bundesgerichtshof unter dem Az.: 1 StR 547/05 mit einer Kick-Back-Vereinbarung zwischen Ärzten und Lieferanten auseinander: drei Vertragsaugenärzte hatten von einem Pharmahändler Augenlinsen und Medikamente für ambulant durchgeführte Operationen zur Behandlung des Grauen Stars abgenommen. Die gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse letztlich geltend gemachten Kosten waren allerdings überhöht, da der Pharmahändler den Augenärzten umsatzbezogene Rückvergütungen (Kick-Back) zahlte. Dies hatten die angeklagten Augenärzte gegenüber den Krankenkassen verschwiegen. Der entscheidende Senat kam zu dem Schluss, dass Ärzte sich unter solchen Voraussetzungen wegen Betruges und Untreue strafbar machen können.
Fall 2
Das Sozialgericht Düsseldorf urteilte im Jahr 2010 unter dem Az.: S 2 KA 29/08 über einen Zahnarzt, der Zahnersatz aus einem Dentallabor bezog. Zunächst beglich er die ihm gestellte Rechnung des Labors im vollen Umfang. Aber bereits vor der Begleichung der Rechnung hatte er mit einem Mitarbeiter des Dentallabors ein Rabattsystem ausgehandelt, wonach er bei Zahlung des Rechnungsbetrages eine umsatzbezogene monatliche Rückvergütung in Höhe von 25 bis 30 Prozent des Nettorechnungsbetrages erhalten sollte. Auch diese Vorgehensweise stellte ein Kick-Back dar. Gleichwohl rechnete der Zahnarzt die vollen Behandlungskosten ab, ohne zuvor die Rückvergütung abzuziehen. Auf Seite der KZV ging man davon aus, dass der Zahnarzt die Kosten für den Zahnersatz in vollem Umfang verauslagt hatte und erstattete den in Rechnung gestellten Betrag in voller Höhe. Nach dem Bekanntwerden der Gewährung eines Rabattes wurde durch die Krankenkasse auf Ersatz des ihr durch den Kick-Back entstandenen Schadens geklagt, weil die gewährten Vergünstigungen nicht an sie weitergereicht worden waren.
Der Zahnarzt wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, dass zunächst nur die Verpflichtung bestanden habe, den finanziellen Vorteil der nachträglich erhaltenen Rückzahlungen weiterzugeben, wenn er die getroffene Rabattvereinbarung schon nicht von vorneherein offengelegt habe. Darüber hinaus sei es nach Ansicht der Richter erforderlich, dass als Aufwendungen geltend gemachte Beträge auch tatsächlich entstanden seien. Daher seien Rechnungsbeträge, die aufgrund von Rückzahlungsvereinbarungen letztlich nicht den tatsächlich aufgelaufenen Kosten entsprechen, demnach nicht erstattungsfähig. Aus diesem Grund habe der Zahnarzt die ihm zu Unrecht erstattete Mehrbeträge zurückzuzahlen. Bereits vor dem zivilrechtlichen Verfahren wurde der Zahnarzt in einem Strafverfahren wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Darüber hinaus wurde er auch berufsrechtlich zur Verantwortung gezogen: durch Beschluss des Zulassungsausschusses verlor er die vertragsärztliche Zulassung mit für ihn entsprechenden desaströsen wirtschaftlichen Folgen.
Fall 3
Unter dem Az.: Cs 37 Js 9933/07 entschied das Amtsgericht Ulm mit Datum vom 26.10.2010, dass auch ein niedergelassener Arzt wegen Bestechlichkeit strafbar sein kann. Diese recht neue Betrachtungsweise im Zusammenhang mit Kick-Back-Vereinbarung besagt, dass dem Zahnarzt strafrechtlich nicht mehr nur Verfahren wegen Betrug oder Untreue drohen, sondern dass er nunmehr auch mit einer Verurteilung aufgrund von Bestechlichkeit rechnen muss. Bis dato wurde eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit nach § 299 StGB nur bei in Kliniken und Krankenhäusern angestellten Ärzten angenommen. Mit dieser Auffassung brach das Amtsgericht und befand die beiden angeklagten Ärzte wegen Betruges und Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit für schuldig und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von jeweils einem Jahr auf Bewährung sowie zu einer Geldbuße in Höhe von jeweils 20.000 Euro. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die beiden Ärzte einer Berufsausübungsgemeinschaft für verschiedene Medikamente einer Pharmafirma eine Beteiligung von acht Prozent des Hersteller- Abgabepreises erhielten. Insgesamt wurden sie mit 14 Schecks entlohnt, die sich in der Summe auf einen Betrag von insgesamt etwa 19.000 Euro summierten.
Die strafrechtliche Bewertung der Frage, ob niedergelassene Ärzte auch wegen Bestechlichkeit nach § 229 StGB verurteilt werden können, war nach diesem Urteil umstrittener denn je, denn nach dem Wortlaut des § 299 StGB können nur „Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes“ wegen Bestechlichkeit bestraft werden. Ein niedergelassener Arzt oder Zahnarzt ist jedoch üblicherweise in seiner eigenen Praxis tätig. Mithin ist er rechtlich weder als Angestellter noch Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes zu qualifizieren. Deshalb sind bisher auch viele gegen niedergelassene Ärzte und Zahnärzte eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Das Amtsgericht Ulm ist bei seiner Entscheidung einer bisher nur selten vertretenen Rechtsauffassung gefolgt, wonach niedergelassene Ärzte als Beauftragte der Krankenkassen anzusehen sind, da sie in einem dauerhaften Vertragsverhältnis zu den Krankenkassen stünden. Folglich sei die Vorschrift des § 299 StGB anwendbar und eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit auch bei niedergelassenen Ärzten grundsätzlich möglich.
Fall 4
Diese sonst lediglich vereinzelt eingenommene Rechtsposition führte nunmehr dazu, dass zwischenzeitlich auch der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, ob Zuwendungen oder Vergünstigungen für Kassenärzte als Bestechung strafbar sind. Im aktuellen Fall hatte eine Medizingerätefirma Ärzten die Kosten für hochwertige Tensgeräte (Reizstromgeräte) erlassen, die in den Praxen dieser Ärzte zum Einsatz kamen. Im Gegenzug verordneten die Ärzte den Patienten zur eigenen Anwendung die Therapiegeräte dieser Firma. Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 unter dem Az.: 3 StR 458/10 hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes diese Frage dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt, der für die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen unter anderem dann zuständig ist, wenn dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.
Die zu erwartende Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen dürfte grundsätzliche Bedeutung für die üblichen Zuwendungen und Vergünstigungen für Ärzte haben, die von Medizinprodukteheratellern, Pharmafirmen und anderen Leistungserbringern den Ärzten gewährt werden und die rechtlich umstrittene Frage klären, ob Ärzte bei ihren Verordnungen von Hilfsmitteln und/oder Arzneimitteln als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte der Vertrags(zahn)arzt den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllen.
Tipp
Unabhängig von der Frage, ob sich ein Zahnarzt durch Kick-Back-Vereinbarungen auch wegen Bestechlichkeit im Sinne des § 299 StGB strafbar machen kann, zeigen die zitierten Entscheidungen, dass bewusste Verstöße gegen das Abrechnungssystem durch zweifelhafte Gewinnvereinbarungen sehr weitreichende Folgen haben können – dabei steht nicht nur eine strafrechtliche Verurteilung oder die Verpflichtung zum Schadensersatz in Rede, auch der Entzug der vertragsärztlichen Zulassung ist eine mögliche Konsequenz aus derartigen Vereinbarungen. Daher sollten Lockangebote nicht vorschnell und unreflektiert angenommen werden. Vielmehr sollten sich betroffene Zahnärzte immer vor Augen führen, welche zum Teil gravierenden Risiken dem „schnellen Geld“ durch eine Kick-Back-Vereinbarung gegenüberstehen und sich bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Angebotes, immer einen medizinrechtlich kompetenten Rat einholen.