Recht 21.02.2011

Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Falschabrechnung gegenüber Privatpatienten

Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Falschabrechnung gegenüber Privatpatienten

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Erweist sich ein Arzt oder Zahnarzt während seiner beruflichen Tätigkeit als unzuverlässig oder unwürdig, kann seine Approbation widerrufen werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) befasste sich mit Beschluss vom 27.10.2010 (Az.: 3 B 61.10) mit dem Widerruf einer Approbation eines Arztes, welcher wegen Betruges in 272 zusammenhängenden Fällen gegenüber Privatpatienten einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen erhalten hatte.

Strafverfahren und Widerruf der Approbation

Gegen einen Arzt wurde ein Ermittlungsverfahren geführt. Es wurde ihm vorgeworfen, Privatpatienten gegenüber mit einem zu hohen Gebührensatz abgerechnet zu haben. Für insgesamt 272 zusammenhängende Fälle akzeptierte er einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je 180 €, d.h. insgesamt 48.600 €. Die Approbationsbehörde nahm diesen Strafbefehl zum Anlass und widerrief die Approbation wegen Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) stützte mit Urteil vom 28.04.2010 (Az.: 21 BV 09.1993) den Widerruf. Mit Beschluss vom 27.10.2010 wies das BVerwG die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zurück, weil der Fall keine grundsätzliche Bedeutung aufweise.

Keine Doppelahndung

Die Frage einer Doppelahndung stelle sich nicht, weil der Widerruf der Approbation keine weitere Bestrafung des Klägers sei, sondern eine Maßnahme zur Abwehr der Gefahren, die von der Tätigkeit eines unzuverlässigen oder zur Berufsausübung unwürdi-gen Arztes ausgingen.

Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit?

Der Widerruf der Approbation sei im Lichte des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nur dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukomme, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs stehe. Das BVerwG betonte, dass diesem schon bei der Auslegung des Begriffes der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden müsse, um das Übermaßverbot zu wahren.

Das Gericht wies darauf hin, dass im Falle des Vorliegens der obengenannten Voraussetzungen für einen Widerruf sich die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung ergebe.

Das BVerwG bezieht sich in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 28.04.2010 (Az.: 3 C 22.09) mit welchem das Gericht einem Logopäden wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes die Berufserlaubnis widerrufen hatte (vgl. RP Newsletter 2/2002).

Im konkreten Fall seien vom VGH die Umstände des Einzelfalls, namentlich die Höhe des angerichteten Schadens, die Länge des Zeitraums, in denen es zu den betrügerischen Abrechnungen gekommen sei sowie die Gründe für die Beendigung dieser Handlungen in den Blick genommen worden. Auch seien gleichfalls entlastende Umstände bedacht, ihnen aber kein maßgebliches Gewicht beigemessen worden. Insoweit sei die Entscheidung des VGH nicht zu beanstanden.

Prognostische Entscheidung erforderlich

Der Kläger hatte gegenüber dem BVerwG eingewandt, das Berufungsgericht habe ohne substantielle Begründung apodiktisch behauptet, nach einer straf-rechtlichen Verurteilung wegen Abrechnungsbetruges sei der Arzt stets als unzuverlässig zu betrachten. Dem widersprach das BVerwG und betonte, dass eine prognostische Entscheidung getroffen werden müsse. Es seien Tatsachen erforderlich, die die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die der Beruf mit sich bringe. Auch hier komme es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, ob der Betroffene willens oder in der Lage sein werde, künftig seine beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Abzustellen sei – wie auch schon in der bereits zitierten Entscheidung festgestellt – auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Behörde sowie sein vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter.

Im konkreten Fall hatte der Arzt seine privatärztliche Tätigkeit vollständig eingestellt. Das BVerwG wies jedoch darauf hin, dass er nach wie vor im vertrags-ärztlichen Bereich tätig sei und auch hier mit Abrechnungen zu tun habe. Die Gefahr einer Falschabrechnung bestehe somit weiterhin. Da bereits der Widerrufsgrund der Unzuverlässigkeit gegeben war, komme es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht darauf an, ob auch der Widerrufsgrund der Unwürdigkeit vom Berufungsgericht zutreffend beantwortet wurde.

Widerruf und Neuerteilung der Approbation

Der Arzt hatte in diesem Verfahren angekündigt, dass er für den Fall, dass das Gericht den Widerruf der Approbation bestätigt, zu gegebener Zeit einen Antrag auf Neuerteilung der Approbation stellen wolle. Im Rahmen eines solchen Antragsverfahrens müsse das Wohlverhalten des Arztes nach Widerruf berücksichtigt werden. Da die Behörde hier auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens – d.h. den Erlass des Widerspruchsbescheides – abstelle, würde letztendlich die Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen, sich gegen die Entscheidung zu wehren, dazu führen, dass der Wohlverhaltenszeitraum nach hinten geschoben werde. Dies habe zur Folge, dass er erst später einen Antrag auf Neuerteilung der Approbation stellen könne. Diesen Einwand ließ das BVerwG nicht genügen. Zum einen müssten bei einem Antrag auf Wiedererteilung der Approbation auch Umstände berücksichtigt werden, die vor Antragstellung gegeben seien. Zum anderen beträfe die Frage, ob als Bewährungszeit für eine spätere Wiedererteilung nur der Zeitraum ab Bestandskraft in Betracht komme, nicht die Rechtmäßigkeit des Widerrufs als solche.

Zusammenfassung

Die vorliegende Entscheidung des BVerwG führt eindringlich vor Augen, dass vorsätzliche Falschabrechnungen in erheblichem Umfang die Unzuverlässigkeit des Arztes in seiner Berufsausübung nahelegen können, obwohl hier nur mittelbar die eigentliche ärztliche Tätigkeit am Patienten betroffen ist. Approbationsbehörden werden in diesen Fällen prüfen, ob die Approbation widerrufen werden soll, was für den Arzt mit erheblichen Konsequenzen verbunden ist. Dies gilt auch dann, wenn sich die strafrechtliche Sanktion noch in einem vertretbaren Rahmen befindet. Die im konkreten Fall verhängte Geldstrafe von 270 Tagessätzen entspricht neun Monaten Haft.
Der Arzt hatte gegen die Geldstrafe im Rahmen eines Strafbefehls keinen Einspruch eingelegt. Ein Strafbefehl „verlockt“ dazu, akzeptiert zu werden, da auf diese Weise die mündliche Verhandlung vor dem Strafgericht unterbleibt, in der der Arzt mit seinen Patienten als Zeugen konfrontiert werden kann. Dies ist aber wohl abzuwägen. Der Strafbefehl steht einem Urteil gleich, so dass sich der Arzt im anschließenden Verfahren über den Widerruf der Approbation nicht auf den Standpunkt stellen kann, der Vorwurf sei unberechtigt.

Quelle: Rechtsanwälte Ratajczak & Partner, Dr. Marc Sieper, Sindelfingen , Fachanwalt für Medizinrecht

E-Mail: sieper@rpmed.de


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