Zahntechnik 09.03.2023
Mehr Patienteninformationen, um Nacharbeiten zu reduzieren
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Eines der größten Ärgernisse für Zahntechniker und Zahnärzte gleichermaßen: die Arbeit passt nicht in den Mund des Patienten. An irgendeiner Stelle des Prozesses ist ein Fehler aufgetreten– ob beim Scan bzw. Abdruck oder bei der Bissnahme. Vielleicht wurden einfach zu wenige Informationen erfasst. Das lässt sich nach dem Chemnitzer ZTM Christian Wagner einfach verhindern. Wie das geht, erklärt er anschaulich mit der Vorstellung des theratecc Bisskonzepts.
Ganz gleich, ob klassischer Abdruck oder digitaler Scan: Beide Möglichkeiten erstellen Kopien, auf deren Basis mithilfe des Zahntechnikhandwerks Modelle hergestellt werden. Nun bedarf es noch einer Zuordnung dieser Modelle in einer weiteren Kopie namens Artikulator. Bei all diesen Kopierprozessen ergibt sich ein großes Fehlerpotenzial. Zudem werden viele Parameter des Patienten nicht erfasst bzw. kopiert. Mit diesen unvollständigen Mehrfachkopien fertigen wir jeden Tag feinste Unikate. Doch wenn diese Unikate am Original – dem Patienten – nicht passen, sind wir immer wieder erstaunt und enttäuscht. Wenn also der Kopiervorgang fehlerhaft oder unvollständig ist, kann die Kopie niemals im Original passen. Das gilt vor allem für funktionelle Parameter wie Ebenen und die Zentrallage des Unterkiefers. Ist es da vielleicht an der Zeit, über die Genauigkeit des Kopiervorgangs nachzudenken und diesen nach Möglichkeit zu verbessern (Abb. 1)?
Reproduzierbare Datenerfassung
Die theratecc GmbH & Co. KG hat sich seit über 10 Jahren genau auf die reproduzierbare Datenerfassung am Patienten spezialisiert. In diesem Zeitraum sind umfassende Konzepte entstanden, mit dem Zahnmediziner in wenigen Minuten alle wichtigen funktionellen Parameter am Patienten erfassen können. Das theratecc Bisskonzept unterteilt sich dafür in zwei Erfassungsschritte, in denen unterschiedliche Daten erfasst werden.
Lagebestimmung des Oberkiefers
Im ersten Schritt wird die exakte schädelbezügliche Lage des Oberkiefers bestimmt. Dafür hat das Unternehmen die bisher bekannte Gesichtsbogenregistrierung neu gedacht. Mit dem therafaceline Gesichtsbogensystem ist es möglich, innerhalb einer Anwendung die Camper’sche Ebene als Referenzebene, die Bipupillarlinie und weitere ästhetische Parameter sowie die Bisshöhe am Patienten zu bestimmen. Für die exakte Ausrichtung am Patienten verfügt der Gesichtsbogen über verschiedene Einstellmöglichkeiten, dazu gehören beispielsweise zwei stufenlos höhenverstellbare Ohroliven, mit denen der Gesichtsbogen zur Bipupillarlinie des Patienten ausgerichtet werden kann. Alle Informationen werden in einer 3D-Bissgabel „gespeichert“. Diese 3D-Bissgabel ermöglicht eine Erfassung der Ober- und Unterkieferzahnreihen und damit die Bestimmung der Bisshöhe (Abb. 2–5).
Die Übertragung aller Parameter erfolgt in einem direkten Verfahren. Dazu wird der Gesichtsbogen in einen Übertragungsstand eingestellt und die 3D-Bissgabel mittels Bisssilikon auf einem verstellbaren Ebenentisch fixiert. Diese direkte Übertragung bietet eine Vielzahl von Vorteilen: So wird kein Gelenksupport mehr benötigt, wodurch ein gelockerter oder verschobener Gelenksupport verhindert werden kann. Alle Systembestandteile verbleiben in der Praxis und nur das Aluwax aus der 3D-Bissgabel sowie das unterschichtete Silikon werden in einer kleinen Bitebox ins Labor versendet. Diese Biteboxen sind wiederverwendbar und damit auch nachhaltig.
Das Labor benötigt nur einen Übertragungsstand mit besagtem Ebenentisch, auf welchem das Bisssilikon und das Aluwax reponiert wird. Die Höhe des Ebenentisches kann am Übertragungsstand an einem Höhenlineal abgenommen und auf der Bitebox dokumentiert werden. Nach der Remontage des Bisssilikons und des Aluwaxes kann der Ebenentisch in den Artikulator eingestellt und das Oberkiefermodell exakt schädelbezüglich eingestellt werden (Abb. 6). Mit nur einem Scanvorgang kann der Ebenentisch inklusive Aluwax auch in den digitalen Workflow übertragen werden. So können virtuelle Modelle direkt auf dem virtuellen Aluwax positioniert werden. Die schädelbezügliche Lagebestimmung des Oberkiefers ist dadurch auch für den volldigitalen Workflow nutzbar. Der Ebenentisch erfüllt zudem eine weitere wichtige Funktion: Er visualisiert die individuelle Okklusionsebene des Patienten, bestehend aus Camper’scher Ebene und der Bipupillarlinie. Die Zahnversorgung des Oberkiefers kann so direkt auf dem Ebenentisch aufgestellt werden – ähnlich der Glasplatte von Prof. Gysi. Auch der Ebenentisch kann mit nur einem Scan in den digitalen Workflow übertagen werden. Damit ist sichergestellt, dass die Zahnversorgung des Oberkiefers ästhetisch und funktionell sowohl im analogen als auch im digitalen Workflow exakt gefertigt werden kann (Abb. 7).
Auseinandersetzung mit dem Unterkiefer
Doch besteht das menschliche Kausystem nicht nur aus einem Oberkiefer – das würde auch keine bestmögliche Kopie des Patienten ermöglichen. Im zweiten Schritt erfolgt dann die genaue Auseinan- dersetzung mit dem Unterkiefer des Patienten. Dafür wurde die klassische Stützstiftregistrierung revolutioniert. Eine klassische Stützstiftregistrierung erfolgt zweidimensional – mit dem Centric Guide 3D System können nun aber dreidimensional Unterkieferbewegungen in Echtzeit erfasst werden. Insgesamt vier hochpräzise Sensoren erfassen alle sagittalen, transversalen und vertikalen Bewegungen des Unterkiefers direkt im Mund. Mit diesem System können die Zentrallage des Unterkiefers sowie die Gelenkbahnneigung und die Bennett-Winkel in einer Anwendung bestimmt werden (Abb. 8–10).
Der Workflow ist einfach und intuitiv. Es bedarf zweier Registrierschablonen, die im Vorfeld gefertigt werden. Diese dienen als Trägermedium für die Sensorik. Da mit dem therafaceline Gesichtsbogen bereits die exakte Referenzebene und Bisshöhe bestimmt wurde, können die Registrierbehelfe in der exakten Position im Artikulator gefertigt werden. Der Stützstift wird in die Oberkieferschablone eingesetzt. Die Sensorik wird auf der Unterkieferschablone platziert. Danach schließt der Patient den Mund und hat nur noch über den Stützstift einen Kontakt zwischen Ober- und Unterkiefer. Die Zahnreihen sind minimal entkoppelt – dies ermöglicht eine freie Bewegung des Unterkiefers ohne Störkontakte.
Centric Guide Registierung
Die Centric Guide Registierung besteht aus zwei Teilschritten. Im ersten Schritt erfolgt die Bewegungsanalyse, hier führt der Patientabwechselnd Protrusions- und Retrusionsbewegungen sowie Laterotrusionsbewegungen durch. Vereinfacht stellt dieser Schritt die muskuläre Lockerung bzw. Erwärmung dar. Im zweiten Schritt Bissnahme führt der Patient die gleichen Bewegungen nochmals durch, die dann in der Centric Software durch Animationen visualisiert werden. Der Anwender sieht neben dem klassischen Gotischen Bogen auch die sagittale Gelenkbahnneigung. Zudem wird der zentrische Bereich durch die dreidimensionale Erfassung eindeutig visualisiert. Alle Bewegungen führt der Patient selbstständig, ohne jede Manipulation durch.
Die Zentrallage des Unterkiefers kann sofort im Mund des Patienten analog mittels Bisssilikon oder auch digital mittels Mundscanner erfasst werden. Für diese Erfassung kann die Sensorik durch ein innovatives Verfahren geblockt werden. Der Patient verbleibt in der ermittelten Zentrallage. Die Registrierung läuft dabei weiter, dadurch ist eine zusätzliche visuelle Kontrolle möglich (Abb. 11 und 12). Mit den generierten Bissregistraten kann nun der Unterkiefer zum bereits exakt eingestellten Oberkiefer artikuliert werden. Zudem kann der Artikulator mit den individuellen Parametern der sagittalen Gelenkbahnneigung und der Bennett-Winkel programmiert werden. Dies gilt natürlich auch wieder für den digitalen Workflow.
Fazit: Funktionelle und reproduzierbare Datenerfassung
Mit dem theratecc Bisskonzept können alle wichtigen funktionellen Parameter am Patienten reproduzierbar erfasst werden. Das Konzept ermöglicht einen umfassenden funktionellen Kopiervorgang am Patienten und kann sowohl für die digitale als auch analoge Arbeitsweise genutzt werden. Der Vorteil ist, dass beide Modelle quasi eins zu eins im Artikulator stehen. Mit einer vollständigen Kopie des Originals lassen sich unsere täglichen Unikate noch viel besser und vor allem ohne bissbedingte Nacharbeiten fertigen. Das spart Stress und Ärger und sorgt für mehr Zufriedenheit – bei allen Beteiligten!
Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.