Praxishygiene 22.09.2009

Behördliche Überwachung der Praxishygiene



Behördliche Überwachung der Praxishygiene

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Jede Zahnarztpraxis kann auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der Gesundheitsdienstgesetze von den örtlichen Gesundheitsbehörden sowie zur Kontrolle der Umsetzung des Medizinprodukterechtes von der zuständigen Bezirksregierung besichtigt werden. Im Folgenden werden der Ablauf einer Begehung und die Möglichkeiten dargestellt, sich systematisch vorzubereiten und beanstandete Mängel kurzfristig zu beheben.

Die infektionshygienische Überwachung durch die Gesundheitsbehörden nach §36 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist eine amtliche Kontrolle bezüglich der Einhaltung rechtlich verbindlicher oder fachlich begründeter Hygienevorschriften. Sie bedeutet aber auch eine gezielte Unterstützung bei der Weiterentwicklung der hygienischen Standards im Sinne von medizinischem Qualitätsmanagement. Neben den Kammern sind auch die KZVen bei der Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich engagiert und bieten hierzu verschiedene Seminare, Fortbildungen und Infomaterialien an, die man bei den regionalen Gliederungen erfragen und zum Teil über das Internet beziehen kann.

Rechtsgrundlagen und Vorbereitung
Hygienische Anforderungen an die Praxen leiten sich ab aus den Vorgaben des IfSG, des Medizinproduktegesetzes (MPG), der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV), der Biostoffverordnung, der Gesundheitsdienstgesetze der Länder, der Vorschriften der Berufsgenossenschaften, der RKI-Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (Anl. H 2 Zahnheilkunde) und der technischen Normen für Sterilisation und Desinfektion. Musterhygienepläne und Empfehlungen von Referenzgremien oder Hygiene-Instituten werden zur Beurteilung der hygienischen Qualitätssicherung hinzugezogen. Bei Neubau einer Praxis und Umbauten bestehender Räume wird das Gesundheitsamt durch das Baurechtsamt informiert, das es bei der Bearbeitung der Anträge durch seine fachliche Beratung unterstützt. Maßgeblich sind dabei die Beurteilung der Räumlichkeiten und Wegeführung (Bauplan) sowie der bauseitigen Ausstattung von Wänden, Böden, Lüftung und Sanitäreinrichtungen, ferner das Tätigkeitsspektrum, insbesondere der Eingriffskatalog beim ambulanten Operieren und die Darstellung von Betriebsabläufen wie Geräte- und Instrumentenaufbereitung, Vorratshaltung und Entsorgung.

Erfolgt eine amtliche Begehung der Praxis durch die Behörde anlassbezogen im Rahmen einer Beschwerde oder planmäßig auf der Grundlage des IfSG bzw. landeseigener ÖGD-Gesetze, so kann die regulär angekündigte und möglicherweise gebührenpflichtige Besichtigung vom Praxisinhaber durch die Bereitstellung von Dokumenten vorbereitet werden. Er legt Unterlagen zu Logistik und Betriebsabläufen der Praxis, Tätigkeitsspektrum und fachlichen Schwerpunkten, Personalschlüssel und Qualifikationen vor. Ferner wird die Organisation des Betriebes dargestellt mit Wäscheversorgung, Praxisreinigung, Entsorgung, verwendeten Desinfektionsmitteln, Sterilisationsverfahren und zugehörigen Prüfunterlagen. Zudem sind Angaben zum Hygienemanagement (Berater, Schulungen, Hygieneplan) und in MKG-/OP-Praxen zur Methode der statistischen Erfassung möglicher postoperativer Infektionen erforderlich. Einige Ämter versenden auch Checklisten mit standardisierten Fragen zur Betriebsorganisation, die von der Praxis vorab oder während der Begehung ausgefüllt werden.

Durchführung der Begehung
Regulär vereinbart das Amt einige Tage vor der Besichtigung einen Termin, am besten außerhalb der üblichen Geschäftszeiten. Man trifft sich zunächst zu einer Vorbesprechung und sichtet die vorgelegten Unterlagen. Der anschließende Rundgang durch die Praxisräume ist meist folgendermaßen gegliedert:

  • Patientenanmeldung, Büro, Personalumkleide, Wartezimmer, Garderobe, Toiletten für Personal und Patienten, Personalaufenthaltsraum, Teeküche.
  • Wäscheversorgung (Aufbereitung, Bereitstellung, Lagerung, Abwurf).
  • Arztzimmer und Behandlungsräume: Dentale Behandlungseinheiten, Waschbecken, Spender. Medikamentenschränke, Stichprobe der Verfallsdaten, Arzneikühlschrank mit Kontrollthermometer.
  • Sterilgutlagerung. Dokumentation der Instrumenten-, Geräte- und Flächenaufbereitung. Aushang des Desinfektionsplans.
  • Vorratslager. Putz- und Entsorgungsraum. Reinigungskonzept und Entsorgung praxisspezifischer Abfälle.
  • Ggf. gesonderter Eingriffsbereich (in der MKG-/OP-Praxis): Patienten- und Bereichsumkleide, Wäschelagerung, Waschbecken mit Hygieneausstattung, Ausguss, Materialeinschleusung.
  • Vorraum: Funktion, Einleitung, Materiallager, Ausschleusung.
  • Eingriffsraum: Größe, Wand- und Bodenbeschaffenheit, Lüftungstechnik, Beleuchtung, Heizung, Behandlungseinheit, Bedarfslagerung.
  • Ruheraum für Patienten nach dem Eingriff: Liegen, Trennwände, medizinischer Funktionsplatz, Waschbecken.


Beurteilung des Praxisbetriebes
Als Standard der Instrumentenaufbereitung gilt die maschinelle Reinigung und Desinfektion. Ferner sollen Dampfsterilisatoren an einem eigenen Aufbereitungsplatz, bevorzugt außerhalb des Behandlungs- oder Eingriffsraumes untergebracht sein, möglichst mit Prozesssteuerung und ausgedruckter Chargendokumentation, regelmäßiger Durchführung von zusätzlichen Helixtests und Leercharge zu Wochenbeginn (bei Großsterilisatoren täglich).

In der Regel wird ein B-Autoklav erwartet, der auch komplexes Sterilisiergut zuverlässig dampfsterilisiert. Die alternative Heißluftsterilisation oder der Chemiklav werden zur Aufbereitung von sterilisationspflichtigen „kritischen“ Instrumenten nach MPBetreibV nicht mehr toleriert. Die Anwendung im Rahmen der Desinfektion semikritischer Instrumente ist freigestellt.

Die Chargenprotokolle der Sterilisation werden eingesehen, ferner Unterlagen zur Wartung der Geräte und Erst-Validierung der Routineprogramme. Statt einer jährlichen externen Revalidierung reicht auch die betriebsinterne halbjährliche Leistungsbeurteilung auf der Basis von Chargenprotokoll mit Freigabe, zusätzlichem Helixtest und Sporenprüfung. Validierung und periodische Kontrolle z.B. mit kontaminierten Schrauben und Schläuchen wird auch bei der Instrumenten-Desinfektionsspülmaschine erwartet. Die Bescheinigung der Sachkunde zur Freigabe von Sterilgut für die Arztpraxis nach §4 (3) MPBetreibV wird überprüft. Falls bereits das neue Curriculum für medizinische Fachangestellte absolviert wurde, sind nur noch periodische Auffrischungskurse erforderlich. Man muss davon ausgehen, dass als Stichprobe eine optische Kontrolle von aufbereiteten Instrumenten auf übrig gebliebene Verschmutzungen und Korrosionsschäden stattfindet. Behältnisse oder Verpackungen mit gebrauchsfertigem Sterilgut sollen durch aufgeklebten oder -gedruckten Behandlungsindikator von noch aufzubereitendem Sterilisiergut eindeutig zu unterscheiden sein. Überprüft werden vereinzelt auch Verfallsdaten für Medikamente und gelagertes Sterilgut.

Am besten gilt das first in-/first out-Prinzip. Arzneikühlschränke müssen mit Temperaturkontrolle ausgestattet sein. Auch nicht kühlpflichtige Medikamente sollen nicht über 26 °C sowie trocken, staub- und lichtgeschützt gelagert werden. Im Arzneikühlschrank dürfen keine Lebensmittel liegen. Beanstandet werden ferner aufgezogene Spritzen, die nach Dienstschluss schon für den nächsten Tag vorbereitet sind, sowie angebrochene Mehrdosisbehältnisse mit eingestochener Kanüle und/oder fehlendem Vermerk des Anbruchszeitpunktes.

Waschbecken werden außer in Sanitärräumen in jedem Untersuchungs- und Behandlungszimmer verlangt. Sie müssen mit Flüssigseifen-, Händedesinfektionsmittel- und gefülltem Einmalhandtuchspender ausgestattet sein. Seifenstücke, Gemeinschaftshandtücher und Warmlufttrockner werden beanstandet. Als Standard für die Praxisreinigung gilt das Zwei-Wischmopp-System mit Logistik (Fahreimer, Mopp- und Putzmittellager) im eigenen Putzraum.

Vorausgesetzt wird die Verwendung möglichst VAH-(DGHM-)gelisteter Desinfektionsmittel, am besten in Originalgebinden. Zwecks Herstellung der Gebrauchsverdünnungen zur Flächen- und Instrumentendesinfektion sollten Dosierhilfen vorhanden sein. Unbeschriftete Flaschen mit Desinfektionsmitteln fallen negativ auf. Für alle verwendeten Gefahrstoffe müssen Sicherheitsdatenblätter übersichtlich im Ordner gesammelt verfügbar sein.

Nachgefragt wird die Aufbereitung des Wassers in der Dentaleinheit mit den entsprechenden Prüfunterlagen (jährliche Bestimmung von Gesamtkeimzahl und Untersuchung auf Legionellen sowie auf den im Wasser verbreiteten Hospitalismuskeim Pseudomonas aeruginosa). Bei der Wäschelagerung und allgemeinen Vorratshaltung erwartet man überschaubar sortierte, trockene und saubere, nicht überfüllte Regalebzw. Schränke. Fensterbänke sind als Lagerstätten besonders für Medizinprodukte ungeeignet. Bodenlagerung von Kartons mit Medizinprodukten ist wegen des Risikos von Verschmutzung und Nässe unerwünscht. Gefahrstoffbehälter wie Desinfektionsmittelkanister dürfen aus Unfallschutzgründen nicht über Kopfhöhe aufbewahrt werden. Das offene Umfüllen von Händedesinfektionsmitteln in kleinere Gebinde ist wegen Kontaminationsgefahr (Bakteriensporen) nicht zulässig.

Gefordert wird die separate Entsorgung der Praxisabfälle in eigenen feuchtigkeitsdichten Behältnissen, von spitzen und scharfen Gegenstände gesondert in verschließbaren, durchstichfesten Plastikboxen, ohne Umfüllen, Wertstoffsortieren und desinfizierende Behandlung. Außerhalb der Praxis können sie in den allgemeinen Müllcontainer entsorgt werden, da sie generell nicht als Infektionsmüll eingestuft sind.

In der Personalumkleide sollten Arbeits- und Straßenkleidung nicht im gleichen Spind nebeneinander hängen oder zumindest durch mobile Trennbügel separiert sein. Insgesamt ist ein sauberer und geordneter Eindruck des Umkleideraums wichtig. Herumliegende Wäschehaufen, gemischte Rein-Unrein-Lagerung, kreuz und quer abgestellte Schuhe, Flaschen, Kartons und sonstige Unordnung fallen ungünstig auf. Die Behördenvertreter dürfen Missstände nach eigenem Ermessen fotografisch dokumentieren. Besonders unzureichende Instrumentenaufbereitung wird aus forensischen Gründen oft im Bild festgehalten.

Abschließend wird der Eindruck der Praxisbegehung erörtert und die Erstellung des Besichtigungsprotokolls angekündigt, das dem Betrieb zeitnah zugesandt werden soll. Hierin ist die Beschreibung der besichtigten Funktionsbereiche zusammengefasst, im Fall von Beanstandungen mit Liste und Zeitvorgaben zur Behebung der Mängel.

Konsequenzen für die Praxis
Wenn Prüfunterlagen für Geräte und Desinfektions- oder Sterilisationsverfahren fehlen, so lässt sich das meist kurzfristig nachholen. Sollten indes schwerwiegende, nicht gleich zu beseitigende und die Funktionsfähigkeit der Praxis akut beeinträchtigende Missstände vorliegen, welche unmittelbaren Schaden für die Patienten befürchten lassen, z.B. grobe technische Defizite in der Geräte- und Instrumentenaufbereitung, so kann das zuständige Ordnungsamt auf Initiative des Gesundheitsamtes direkte Einschränkungen der Praxistätigkeit bis hin zur kompletten vorläufigen Schließung des Betriebes verfügen. Zum Teil werden nur partielle Verbote ausgesprochen, die z.B. das ambulante Operieren betreffen. Rechtsgrundlage ist § 16 (1) IfSG: „Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren.“ Gleichzeitig werden Vorschläge unterbreitet, wie sich die hygienische Strukturqualität der Praxis so verbessern lässt, dass die Verfügung schnellstmöglich wieder aufgehoben werden kann. Basis einer solchen Neuorganisation sind z.B. das Einbeziehen externer Dienstleister, Sterilgutaufbereiter und Wäschereien, die nachgewiesene Hilfe von Hygieneberatern, fachlich qualifizierte und dokumentierte Schulungen des Praxispersonals, die Nutzung von Räumlichkeiten und Logistik benachbarter Einrichtungen und die Umsetzung konkreter Vorschläge zur Verbesserung einzelner Maßnahmen im Betriebsablauf bzw. zum Raumkonzept. Die Praxis kann beim zuständigen Verwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung einlegen. Wird die Maßnahme indes akzeptiert beziehungsweise gerichtlich bestätigt, so wird die Behörde vor der Aufhebung zunächst die Umsetzung der geforderten Standards im Rahmen einer erneuten Besichtigung überprüfen. Grundsätzlich liegt die Aufgabe der amtlichen Begehung nicht vordergründig in einer externen Überwachung der Praxis und des Verhaltens ihres Personals oder in der akribischen Suche nach Fehlern und deren Kritik, sondern in einer kurzgefassten Statuserhebung bezüglich hygienischer Standards, im Austausch von Informationen, Beratung, Betreuung und Hilfestellung bei der Umsetzung notwendiger Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Betrieb.

Schon aufgrund der engen zeitlichen Begrenzung ist die Behörde auf die Mitarbeit der Praxis angewiesen, um hygienerelevante Funktionsabläufe im Betrieb besser verstehen und beurteilen zu können. Interne und externe Qualitätskontrollen sind somit kein Gegensatz, sondern sollen sich sinnvoll ergänzen. Der gesetzlich fixierte Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Praxen wird hier nochmals nachdrücklich betont.

Eine Literaturliste kann unter zwp-redaktion@oemus-media.de angefordert werden.

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