Praxishygiene 24.02.2020
Statt Frust: So klappt die motivierende Hygienearbeit
Hygienearbeit ist für viele Mitarbeiter ein leidiges Übel. Wo bereits wenig Zeit für die Versorgung der Patienten vorhanden ist, werden Belehrungen und Erklärungen zur Bedeutung der Hygiene schnell unangenehm. Dass die Praxishygiene und deren Einhaltung vor allem auch durch das Infektionsschutzgesetz und Hygieneverordnungen der jeweiligen Bundesländer geregelt sind, ist Fakt – doch ohne die motivierte Mitarbeit des Praxispersonals kaum in die Realität umzusetzen.
Der Frustfaktor bei den Hygienefachkräften kann immens steigen, wenn das notwendige Verständnis der hygienischen Zusammenhänge beim Personal fehlt und viele Bemühungen ergebnislos bleiben. Doch wie lassen sich Lösungen um die tägliche Hygienearbeit als motivierende Teamarbeit vermitteln? Ob sich Mitarbeiter nur mit Vernunft und rationalen Argumenten davon überzeugen lassen, sich an Verfahrensanweisungen zu halten, sei dahingestellt. Aus psychologischer Sicht wird dies jedenfalls bezweifelt1, da sich viel emotionales Konfliktpotenzial im Bereich Hygiene und Qualitätsmanagement abzeichnet.2
Neben der emotionalen Ebene spielt auch die Persönlichkeit jedes einzelnen Teammitglieds eine entscheidende Rolle. Die Frage lautet deshalb: Wie kann eine positive emotionale Aktivierung ausgelöst werden, um jemandem Tatendrang und Humor zu vermitteln?
Gravierende Mängel in der Realität
Großer Zeitmangel in der Praxis, damit verbundener Stress, nicht genügend qualifiziertes Personal und mangelnde Schulungen führen häufig zu einer vernachlässigten Flächen- und Händehygiene. Diese sind allerdings von elementarer Bedeutung: Durch die korrekte Hygiene der Hände (3 ml Händedesinfektionsmittel [HDM] für 30 Sekunden aktive Desinfektion) lassen sich einige nosokomiale Infektionen vermeiden. Werden nur < 2 ml HDM appliziert, verringert sich die benetzte Fläche signifikant.3
Bei ambulanten Eingriffen sind in der Regel sehr viel mehr Händedesinfektionen gefordert als angenommen. Deshalb sollten die HDM hautverträglich sein, um eine optimale Compliance für die Mitarbeiter zu erreichen. Auch die zentrale Platzierung der Spender ist zu bedenken. Die hygienische Händedesinfektion gilt weltweit als die wirksamste Maßnahme zur Unterbrechung von Infektionsketten in Gesundheitseinrichtungen und damit zur Prophylaxe nosokomialer Infektionen (NI) in stationären und ambulanten Gesundheitseinrichtungen.4
Zudem laufen Oberflächen Gefahr, durch ihre Patientennähe kontaminiert zu sein, was eine Desinfektion generell unerlässlich macht, auch hinsichtlich des Selbstschutzes. Bei erhöhtem Patientenaufkommen werden aber gerade diese Flächen häufig vernachlässigt, trotz dem die Industrie eine schnelle und effektive Desinfektion durch beispielsweise vorgetränkte Tücher ermöglicht.
Auch bei den externen Reinigungsunternehmen oder auch eigenen Reinigungskräften konnten in acht von zehn Fällen Mängel erkannt werden. Reinigungsleistungen werden häufig nicht überprüft und dementsprechend auch nicht an geforderte Hygienestandards angepasst. Ein Leistungsverzeichnis ist zwar Pflicht, aber nicht immer sinnvoll, beispielsweise wenn das Zeitmanagement nicht übereinstimmt (die zu reinigende Fläche versus das verfügbare Personal und dessen Arbeitszeit).
Diese Daten sind Ergebnisse, die im Rahmen des Heidelberger Hygiene-Ratings (siehe Infokasten) erfasst wurden. Weiteren Erkenntnissen des Hygiene-Ratings zufolge entsprachen Desinfektions- bzw. Hygienepläne nicht den Erfordernissen der Praxis und waren nicht an die Einrichtung angepasst. In einigen Räumlichkeiten wurden Verbrauchsgüter (Kartonagen usw.) auf dem Fußboden und oberhalb der Schränke und Fensterablagen gelagert. Ebenso waren Ablageflächen in Behandlungsräumen stark bestückt, was eine ausreichende Wischdesinfektion der Flächen zusätzlich erschwert.
Instrumente motivierender Hygienearbeit
Um nun die herrschenden Hygienemängel zielgerichtet zu beseitigen, ist wie eingangs beschrieben die Motivation des Personals unerlässlich. Dabei kommt es vor allem darauf an, das Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Mitarbeiter zu schärfen.
Die gezielte Kenntniserweiterung der Hygienebeauftragten durch regelmäßige praxisnahe Schulungen ist dabei jedoch ebenso wichtig.
Coaching
Das Ziel der Hygienebeauftragten ist es, erfolgreich die für die Praxis erarbeiteten Qualitätsmerkmale umsetzen zu können. Dabei kann sie die Mitarbeiter durch emotionale Stärkung in das gemeinsame Boot holen. Grundstein hierfür bildet ein respektvoller Umgang miteinander, um Bloßstellung und Demotivierung zu vermeiden. Zudem wird der Übermittlung sinnvoller Hygieneaufgaben eine große Bedeutung beigemessen: Aktive Beteiligung der Mitarbeiter ist der Schlüssel zu motivierender Hygienearbeit. Demgegenüber steht die passive Informationsaufnahme.
Ein weiterer Punkt stellt die Motivation durch Humor dar. Dabei können kleine „Schmankerl“ behilflich sein („HygieneFlop der Woche“ oder Ähnliches). Die humorige Assoziation, die dabei mit dem Thema Hygiene entsteht, wirkt sich ebenso positiv auf die Motivation aus.
Gleichzeitig sollten Unaufmerksamkeiten bei den Mitarbeitern letztlich eine Art des Schamgefühls erzeugen, damit die Behebung derselben die naheliegende Option darstellt.
Virtuelle Schulungen
Auch Onlineschulungen für die Hygienebeauftragte sind zu empfehlen. Dabei werden schwerpunktmäßig verschiedene Themengebiete behandelt, so beispielsweise Wasserqualität, Händehygiene, Flächenhygiene, Arbeitskleidung oder Arbeitsschutz. Es wird an relevanten Stellen auf Videos oder Dokumente (Standards) zugegriffen, die gelesen werden müssen und nicht übersprungen werden können. Ein weiterer Vorteil ist die ortsunabhängige und eigenständige Arbeit vor dem PC.
Virtuelle Schulungen fördern neben den Fachkompetenzen auch Schlüsselkompetenzen wie Projektmanagement, Mitarbeiterführung und Zeitmanagement. Von Persönlichkeitsstärkung (Frustrationstoleranz, Konfliktfähigkeit, Empathie) über Vortrags- und Präsentationstechniken bis hin zu Gruppenanalyse, Streitgespräch und Teambuilding – diese Fähigkeiten fügen sich am Ende zu einem kompetenten Gesamtbild zusammen, von welchem die komplette Praxis profitiert.
Fazit
Hygienearbeit ist Teamarbeit! Hygienebeauftragte müssen ihre Kollegen dort abholen, wo sie stehen. Der Trainer muss die Talente seiner Mitspieler kennen und wissen, wie er sie fördert bzw. fordert. Positive Emotionen sowie das Gefühl der Selbstwirksamkeit spielen eine wichtige Rolle für die Motivation und jegliche Form des Lernens – ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte, ein Lob bringt mehr als tausend Anweisungen. Einmal nachfragen, wie es im Urlaub war, hilft oft schon über Alltagsfrust hinweg.
Literatur
1 Bergler R. Psychologie der Hygiene. Darmstadt: Steinkopff; 2009.
2 Bergler R. Psychologie der Hygiene. In: Ingensiep HW, Popp W, (Hrsg.) Hygiene-Aufklärung im Spannungsfeld zwischen Medizin und Gesellschaft. Freiburg/München: Karl Alber; 2016: 33–55.
3 Kampf G, Ruselack S, Eggerstedt S, Nowak N, Bashir M. Less and less – influence of volume on hand coverage and bactericidal efficacy in hand disinfection. BMC Infect Dis 2013;13(1):472132.
4 Arbeitskreis „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 029/027 Entwicklungsstufe: S1.
Autoren: Mark Peters, Axel Jakobi
Der Beitrag ist in DENTALZEITUNG erschienen.