Praxismanagement 15.09.2011

Merkmale für den Erfolg und das Scheitern von BAG



Merkmale für den Erfolg und das Scheitern von BAG

Es dürfte wohl kaum eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt geben, der noch nicht vom Scheitern einer BAG gehört hat oder eventuell sogar davon betroffen war. Auch in der Beratungspraxis begegnen uns immer wieder Fälle, bei denen die Auflösung kurz bevorsteht bzw. gerade im Gange oder von vornherein absehbar ist. Im konkreten Fall kann die Ursache meist individuell festgemacht werden. Doch gibt es übereinstimmende Merkmale für das Scheitern oder den Erfolg von Praxen, an denen sich ein Zahnarzt, der ein solches Vorhaben plant, orientieren kann?


Dr. Arnd zum Winkel hat sich in seiner Masterarbeit „Empirische Untersuchung über die Entwicklung zahnärztlicher Berufsausübungsgemeinschaften unter Berücksichtigung der internen Kommunikation zwischen den Praxisbetreibern“ (Otto-von-Guericke Universität Magdeburg und Akademie für zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, 2010) mit dieser Frage beschäftigt und Zahnärzte interviewt, deren BAG gescheitert ist und auch solche, deren BAG erfolgreich war. Als erfolgreiche BAG wird übrigens die Gemeinschaft bezeichnet, die über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren besteht und bei der eine Auflösung in nächster Zeit nicht zu erwarten ist. Die Arbeit kann als pdf unter sander.thomas@ mh-hannover.de angefordert werden. 


Die Erfolgsmerkmale
Vorteile und Grenzen des Vertrages 

Von allen interviewten Zahnärzten wurde die Bedeutung des BAG-Vertrages als Grundlage der Zusammenarbeit hervorgehoben. Tatsächlich stellt ein gut ausgearbeiteter Vertrag eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit dar. Gerade die intensive Auseinandersetzung mit den Vertragsinhalten, die durch einen erfahrenen Anwalt begleitet werden sollte, führt zu vermehrter Klarheit über das Vorhaben und erhöht allein dadurch bereits die Erfolgschancen. Was dabei oft übersehen wird, sind die natürlichen Grenzen des Vertrages. Man darf also nicht vergessen, dass Verträge nicht alles regeln können, sondern immer einen unbestimmten Bereich lassen. Für die BAG heißt das, dass man nicht vorher weiß, welche konkreten Probleme auf einen zukommen, die man lieber in einem Vertrag geregelt hätte. Verträge sind gut, um grundsätzlich bestimmte Punkte zu regeln, wie zum Beispiel Anteile an der Praxis und Gewinnverteilung. Wenn das Thema aber etwas diffuser wird wie zum Beispiel die Praxisphilosophie, so wird sich das nicht durch Verträge regeln lassen. Hier ist man auf weniger konkrete Mechanismen, wie zum Beispiel Freundschaft, Toleranz, Kompromissbereitschaft, Vertrauen oder ganz einfach Konsens angewiesen. Sie haben den Vorteil, dass sie weit weniger konkret sind und sich deswegen bei bestimmten Problemen auch anders korrigieren lassen. Die Interviews unterstützten diese Annahmen insofern, als Verträge immer nur dann abgerufen werden, wenn die Praxis schon längst dem Scheitern entgegengeht. Die Verträge sind damit weniger Grund als Ausdruck des Scheiterns. Fragt man also nach der Funktionalität eines BAG-Vertrages, so liegt diese eben gerade nicht in der allumfassenden Regelung möglichst vieler Entscheidungsweichen als Ersatz der täglichen internen Kommunikation. 

Die Dynamik einer Organisation in ihrer zeitlichen Entwicklung und die Nicht- Vorhersehbarkeit der menschlichen und fachlichen Weiterentwicklung der einzelnen Partner machen es geradezu unmöglich, in einer statischen Zeitpunktentscheidung alles für die Zukunft abschließend zu regeln, indem man es schriftlich fasst. Ungleich bedeutsamer, wenn nicht sogar hauptsächlich entscheidend hingegen ist die Funktion des Vertrages als eine möglichst klare und umfassende Regelung zur Sicherung der Existenz aller beteiligten Partner gerade für den Fall, dass es zu einem Auflösen der Gesellschaft aufgrund nicht mehr kommunikativ lösbarer Interessendivergenz der beteiligten Gesellschafter kommt. Denn gerade dann ist eine einvernehmliche Verhandlung von strittigen Fragen kaum mehr über direkte Kommunikation zu erreichen, und es gibt allen Beteiligten Sicherheit, sich hier auf feste Regelungen aus den vorliegenden Verträgen entsprechend berufen zu können, wenn dieser Fall eintreten sollte (Müller, M.-C., Sander, Th., 2008: Vertragsabschlüsse sind keine Nebensache, Spectator Dentistry, Nr. 11, 15). 


Die gründliche Vorbereitung 

Wichtig ist vor allem die gründlich reflektierte Planung des Vorhabens vor der Entscheidung bezüglich einer Partnerschaft. Angefangen von der Persönlichkeitsstruktur bis zur Klärung des Praxisstandortes sollten eventuell mit einem Berater alle entscheidenden Faktoren auf den Prüfstand gestellt und mit den eigenen Bedürfnissen bezüglich der Berufsausübung und Persönlichkeitsstruktur verglichen und bewertet werden. Dabei zeigt sich, dass es von Vorteil ist, wenn dies ohne Zeitdruck geschieht. 


Praxisphilosophie 

Die Inhalte der Interviews reflektierten, wie wichtig die Übereinstimmung in der Ausrichtung der Praxis bezüglich des fachlichen Spektrums und des Qualitätsniveaus unter den Zahnärzten der BAG ist. Die gemeinsame Berufsausübung als Zahnarzt und die Art, wie man die Praxis in der Außendarstellung präsentiert und nicht zuletzt, wie auch die finanziellen Ziele einer Praxis umgesetzt werden sollen, sind Faktoren, die für einen Erfolg der BAG in Übereinstimmung gebracht werden sollten. 


Sympathie und Wertschätzung 

Die Wichtigkeit dieses Begriffes ist ganz wesentlich bei der Voraussetzung für den Erfolg einer BAG. Von allen Interviewteilnehmern wurde dieser Punkt in dem einen oder anderen Zusammenhang bezüglich des erfolgreichen Zusammenseins genannt. Einige Zahnärzte beschrieben es auch mit dem „guten Bauchgefühl“ oder dem „Mögen“. 


Wertekonvergenz 

Alle Interviews streiften die Übereinstimmung oder die Unterschiede der Partner bezüglich der persönlichen Werteauslegung. Es zeigte sich, dass eine hohe Werteübereinstimmung ein wichtiger Bestandteil für die Basis der Zusammenarbeit darstellt. Stimmen diese nicht überein, kann man in vielen Fällen die Konfliktentstehung nachvollziehen. 


Kompromissbereitschaft und Leidensfähigkeit 

Die Erkenntnis, dass Kompromissbereitschaft zu einer der Grundvoraussetzungen jeder zwischenmenschlichen Beziehung oder Organisation gehört, ist nicht erstaunlich. Bemerkenswert ist dennoch, in welch hohem Maße den Zahnärzten in der BAG Kompromissbereitschaft abverlangt wird. Es ist zu empfehlen, diesen Aspekt – also ob der den Einstieg in eine BAG planende Zahnarzt hierzu in ausreichendem Maße fähig und bereit ist – gründlich zu prüfen. Überraschend war auch die Erkenntnis, dass Leidensfähigkeit ein Faktor für den Bestand einer BAG sein könnte. Bei drei Zahnärztinnen konnte man den Interviews diese Aussage entnehmen. Bemerkenswert ist die Antwort einer Zahnärztin, die auf die Frage, warum ihre BAG denn nun schon 22 Jahre bei all den ungelösten Konflikten halte: „Weil ich so leidensfähig bin!“ Zwei Interviews zeigten hingegen, dass damit eine gewisse Zeit überbrückt werden kann, sich die Konflikte aber dann der artig ansammeln, dass die BAG nach vier bzw. zehn Jahren scheiterte. 


Die Merkmale für das Scheitern
Mangelhafte Vorbereitung 

Die Vorbereitung auf die BAG ist in jeder Hinsicht der primäre Faktor für einen langfristigen Erfolg. Viele Zahnärzte geben als Grund für ihr Scheitern an, sich gerade in diesem Punkt unangemessen verhalten und sich geradezu blind auf einen unbekannten Weg gemacht zu haben. 


Ungleichgewicht der Partnerschaft 

Bei einigen gescheiterten und einer bisher erfolgreichen BAG war dieser Punkt zu erkennen. Dabei geht es um die Entscheidungsbefugnisse, die Gestaltungsmöglichkeit innerhalb der Partnerschaft und die Durchsetzungsmöglichkeiten im Falle einer Konfrontation. Hier gab es auch unter den deshalb gescheiterten BAGen einige Unterschiede in der Intensität der Behinderung beim Mitspracherecht wichtiger Entscheidungen, wie Personalführung, Praxisphilosophie, Patientenumgang und Gewinnverteilung. 


Unterschiedliche Praxisphilosophie 

Bezüglich der Praxisphilosophie bestand auch unter allen Interviewpartnern Einigkeit über die Bedeutung bezüglich des Erfolges. Sind hier Unterschiede erkennbar, kommt es auf die Stärke und den Umgang mit diesen Unterschieden an. Existieren hierbei derart gravierende Unterschiede, dass der Patient beispielsweise das Gefühl hat, in zwei Praxen zu sein, wird sich der daraus entstehende Konflikt auf Dauer nicht vermeiden lassen. 


Freundschaft 

Interessant ist, dass von zwei Zahnärzten Freundschaft als Behinderung einer Beziehung und damit als Störfaktor für die BAG angesehen wird. Eine Zahnärztin erklärt Freundschaft aber als wesentlichen Bestandteil des BAG-Erfolges. Schwierig scheint in diesem Punkt die Trennung von privater Freundschaft und respektvoller professioneller Beziehungsebene zu sein. 


Vermischung privater mit professioneller Beziehungsebene 

Dieser Aspekt ist in insgesamt zehn Interviews in unterschiedlicher Weise und Intensität vorhanden. So kann zum Beispiel die familiäre Beziehung zwischen Tochter und Vater, die beide als Zahnärzte in der BAG arbeiten, die professionelle Beziehung mit anderen Partnern negativ beeinflussen. Mit der gleichen Auswirkung ist bei einer Liebesbeziehung zwischen Zahnarzt und Angestellten in der gleichen Praxis zu rechnen. Überrascht hat das Ergebnis, wie häufig in den Interviews angesprochen wurde, dass die Mitarbeit von Ehepartner in der BAG und die daraus resultierende Vermischung der privaten und professionellen Beziehungsebene Probleme bereitet. 


Differenzen über die Gewinnverteilung 

Immerhin fünf Zahnärzte berichteten in den Interviews über Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Gewinnverteilung. Davon gehören drei Zahnärzte den gescheiterten BAGen an. Ein Zahnarzt gibt dies als Trennungsgrund an. Auch wenn manche Zahnärzte dies als Konfliktpunkt eher in der Endphase einer Partnerschaft als Begleiterscheinung sehen, ist dieser Punkt sicher auch von der finanziellen Gesamtsituation der BAG abhängig. 


Ungleiche Kapitalverhältnisse 

Es fällt auf, dass mit Ausnahme einer BAG bei den gescheiterten Kooperationen keine Kapitalbeteiligungen an den Praxen vorhanden waren. Dies könnte zum einen die Entscheidung für eine Trennung erleichtern, führt aber auch zu einer latenten Machtdifferenz in den Praxen. Dadurch kann die Ausgewogenheit in der Machtstruktur einer BAG erheblich leiden. 


Zusammenfassung 

Nach den Ergebnissen der Untersuchung scheint hinsichtlich des Erfolges einer beruflichen Kooperation zunächst einmal die gründliche Vorbereitung auf und die bewusste Entscheidung für diesen Schritt entscheidend zu sein. Hier kann die Unterstützung durch einen erfahrenen Berater sehr nützlich sein. Darüber hinaus sind professionell geführte und von entsprechenden Fachleuten beidseitig unterstützte Verhandlungen auf Augenhöhe sowie ein daraus resultierender guter Vertrag, der insbesondere die existenzielle Sicherheit aller beteiligten Partner für den Fall einer späteren Trennung sicherstellt, wichtige Voraussetzungen. Im Alltag der BAG ist dann die Qualität der internen Kommunikation von hoher Bedeutung, insbesondere die Fähigkeit, für strittige Fragen eine Lösung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Partner zu finden. Praktikabel erweist sich dabei eine von der Struktur her bedürfnisorientierte Kommunikation unter den Zahnärzten. Wichtig ist den Interviewten dabei der respektvolle und aufmerksame Umgang miteinander. So klar die Vorteile einer beruflichen Kooperation also auch sein mögen, zeigt die vorliegende Arbeit aber auch deutlich, wie komplex das Beziehungsgefüge einer beruflichen Kooperation in der zahnärztlichen Profession ist. Das Eingehen einer Zusammenarbeit sollte daher im Bewusstsein darauf ein wohl durchdachter Schritt sein, der nicht vorschnell nur aufgrund der vermeintlich besseren wirtschaftlichen Situation und organisatorischer Vorteile getroffen werden sollte. Wird dies bedacht, so ist die BAG eine erfolgreiche Kooperationsform, die zukunftsfähig ist und für den künftig steigenden Bedarf an zahnärztlichen Kooperationen eine gute Möglichkeit der gemeinschaftlichen Berufsausübung unter Zahnärzten darstellt. 


Wiederholung einer BAG? 

Schließlich sei noch die erstaunliche Tatsache angemerkt, dass sechs Zahnärzte erneut eine BAG gründen würden, wobei fünf der sechs Zahnärzte erwartungsgemäß der erfolgreichen BAG-Gruppe angehören und interessanterweise eine Zahnärztin aus der Gruppe der „Gescheiterten“ sich dies ohne Einschränkung auch wieder vorstellen kann. Immerhin können sich von den Zahnärzten der gescheiterten BAGen unter bestimmten Voraussetzungen drei wieder einen Eintritt in eine BAG vorstellen. Die Voraussetzungen sind:
– nur mit Zahnärzten, die gut bekannt sind
– bessere Vorbereitung
– längere Probezeit
– bessere Verträge. 

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