Praxismanagement 03.11.2011
Teil 5: Praxisführung mit angestellten Zahnärzten
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Im fünften und letzten Teil dieser Serie schildere ich plakativ die strukturelle Optimierung einer Mehrbehandlerpraxis. Sie erfahren, welche typischen Herausforderungen in den organisatorischen Abläufen großer Praxen entstehen und wie diesen zum Vorteil aller Beteiligten positiv begegnet werden kann.
Ausgangslage: Der Praxisgründer ist seit 15 Jahren niedergelassen. Seine ursprüngliche Einzelpraxis hat er über die Jahre zu einem großen Betrieb ausgebaut, in dem er zusammen mit zwei angestellten Zahnärzten tätig ist. Die Praxis hat sich am Standort sehr gut etabliert; vor drei Jahren fand der Umzug in größere Räume statt. Nun stehen insgesamt sechs Behandlungszimmer zur Verfügung, das Team arbeitet teilweise im Schichtdienst. Die Praxis genießt einen sehr guten Ruf in der Region und erfreut sich vieler Neupatienten. Das Marketing ist professionell gesetzt.
Symptome/Ziele
Der Praxisinhaber ist mit seinen Erfolgen grundsätzlich zufrieden, sieht jedoch an verschiedenen Stellen noch Optimierungsansätze, denen er mit professioneller Unterstützung begegnen möchte:
– Die hohen Neupatientenzahlen schlagen sich noch nicht in einer entsprechenden Steigerung der durchschnittlichen Patientenfallzahlen pro Quartal nieder. Die Patientenfluktuation ist vergleichsweise hoch.
– Der Chef selbst ist der mit Abstand größte Umsatzträger. Die Prophylaxe läuft auf mittlerem Niveau, die Umsätze der angestellten Zahnärzte liegen hinter den Erwartungen zurück.
– Die Verwaltung wirkt ineffizient. Obwohl ausreichend Personal vorhanden sein müsste, läuft die Organisation nicht rund.
Vorgehensweise
Bewährt hat sich eine systematische Vorgehensweise nach folgendem Plan:
1. Auswertung von Statistiken (Fallzahlen, Fallzahlentwicklung, Honorarentwicklung der einzelnen Behandler etc.), um ein emotionsfreies Bild von Zahlen, Daten und Fakten zu gewinnen. Damit ist Klarheit geschaffen, wie die Leistungsstärke der Praxis im Ganzen zu bewerten ist und wo jeder einzelne Behandler steht.
2. Ergänzend wird eine detaillierte Potenzialberechnung erstellt, aus der die Beteiligten erkennen können, wo bis dato ungenutzte Honorarpotenziale zu vermuten sind. Die Ergebnisse zeigen typischerweise folgendes Bild: Die Praxis verfügt noch über elementare Honorarchancen beispielsweise in folgenden Bereichen:
– IP (= Behandlungseffizienz und vollständige Erbringung der IP-Leistungen)
– PAR (der Anteil an PAR-Behandlungen im Verhältnis zur Patientenfallzahl ist extrem niedrig/ deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Behandlern)
– Zuzahler- und Selbstzahlerleistungen (extreme Unterschiede zwischen den Behandlern, z.B. Quote der Füllungen mit Mehrkostenvereinbarung und Zuweisung von Patienten in die Prophylaxe, ZE-Honorare, Endo mit Zuzahlung).
Aus diesen Daten lässt sich bereits ablesen, dass die Patientensubstanz der Praxis deutlich höhere Umsätze ermöglichen würde. Zusammen mit dem Praxisinhaber wird das Zukunftsziel formuliert: 15.000 Euro pro Monat mehr Honorar, jeweils zu einem Drittel zu erwirtschaften von den zwei angestellten Zahnärzten und der Prophylaxe. Das Ziel soll innerhalb von zwölf Monaten erreicht werden.
3. Ausgerüstet mit diesen Erkenntnissen moderieren wir ein Gespräch mit den drei Zahnärzten. Dabei sind zwei Aspekte entscheidend: Erstens geht es darum, die Energien der angestellten Zahnärzte auf die Praxisziele zu fokussieren und einen kollegialen Schulterschluss für die nachfolgenden Aktivitäten herzustellen. Zweitens lassen sich im Gespräch mit den angestellten Zahnärzten häufig sehr wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die deren Blickwinkel auf den Praxisalltag entspringen und die Sichtweise des Chefs ergänzen. Durch fokussierte Fragen, intensives Zuhören und Nachspüren lassen sich in diesem Gespräch hervorragende Impulse für den Gesamtprozess filtern, ferner wird den Zahnärzten die Chance verschafft, sich aktiv in die Zukunftsentwicklung der Praxis einzubringen, was diese in aller Regel sehr zu schätzen wissen.
Inhaltlich dreht es sich bei diesem Gespräch meistens um zwei Knackpunkte:
– Die angestellten Ärzte spüren (oder wissen aus der Vergangenheit), dass noch mehr in ihnen steckt. Sie wollen höhere Umsätze generieren (= bessere Verdienstmöglichkeiten), wissen aber nicht so recht, wie sie das alleine umsetzen können. Sie wünschen sich konstruktive Anleitung durch ihren Chef. Er soll die Fäden in die Hand nehmen.
– Die Organisationsstrukturen der Praxis werden als unzureichend empfunden. Die Zahnärzte wünschen sich ein dichteres organisatorisches Korsett, das sie in ihrem Bemühen um Patientenbindung und Honorarstärke unterstützt. Das Gespräch wird detailliert protokolliert; die Erkenntnisse fließen in den Handlungsplan (nachstehend) ein.
4. Die Erkenntnisse werden durch einen Analysetag im laufenden Praxisbetrieb abgerundet und ergänzt.
5. Die gewonnenen Resultate werden in konkrete Empfehlungen umgesetzt und in einem Handlungsplan zusammengefasst. Für jede Einzelmaßnahme sind eine Priorität (ABC), die für die Umsetzung verantwortliche Person und ein Zeitrahmen zugeordnet.
Handlungsempfehlungen
Nachfolgend liste ich eine Auswahl der Handlungsempfehlungen auf, die sich bei der voran genannten Zielstellung
des Praxisinhabers häufig ergeben:
– Zuordnung eines verantwortlichen Hauptbehandlers für jeden Patienten, der die Verantwortung für die durchgängige Therapieplanung und Patientenbindung an die Praxis übernimmt.
– Schaffung eines einheitlichen Ablaufes für die 01, in die eine konsequente, für das gesamte Praxisteam verbindliche Prophylaxeaufklärung (abhängig vom PSI-Befund) eingebunden ist. Festlegung der Zuständigkeiten und der Sprachregelungen.
– Einer der beiden angestellten Zahnärzte übernimmt die Verantwortung für die Fortentwicklung und Verankerung des häufig nur rudimentär vorhandenen PAR-Konzeptes. Die Prophylaxemitarbeiterinnen werden verantwortungsvoll integriert.
– Überprüfung der EDV-Konfiguration, Ergänzung der eingestellten Leistungskomplexe für effizientere, fehlerminimierte Leistungserfassung.
– Konsequente einheitliche Behandlungsvorbereitung, um sicherzustellen, dass alle Vorsorgeleistungen (inklusive PSI und regelmäßiger Röntgenbilder) vollständig erbracht werden.
– Gewährleistung der Leistungserfassungskontrolle (jeder Behandler kontrolliert täglich das Protokoll für seine Patienten).
– Schaffung der Voraussetzungen für zimmerübergreifende Behandlung (Spreizung des Schichtdienstes, leistungsdichtes Terminmanagement). Umsätze von 20.000 Euro und mehr pro Monat sind nach unserer Erfahrung mit allgemeiner Zahnheilkunde nur dann zu erzielen, wenn die angestellten Zahnärzte jeweils zwei Behandlungszimmer und ausreichendes Assistenzpersonal zur Verfügung haben.
– In der Terminvergabe wird die Produktivität der Praxis gesteuert. Konzentration der Terminvergabe auf möglichst wenige Verwaltungsmitarbeiterinnen, die nach klarer Anweisung die Patiententermine vergeben.
– Vereinheitlichung der Dokumentation und Profes-sionalisierung der Abrechnung (Steigerungsfaktoren, §9 GOZ, etc.). Gegebenenfalls Ausbau des Abrechnungswissens im Team.
– Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortungsbereichen der Teammitglieder. Insbesondere in Praxen, die schnell gewachsen sind, kann hier erheblicher Handlungsbedarf liegen.
– Verbindliche Festlegung von Materialien und Verständigung auf eine für alle gültige Preisliste.
– Herstellung einheitlich geregelter Formalien für Kostenaufklärungen.
– Qualifizierung des Assistenzpersonals zur Ausschöpfung der Delegationsmöglichkeiten.
Umsetzung
Die Vereinbarung der Einzelmaßnahmen im Praxisalltag erfolgt systematisch und schrittweise über einen Zeitraum von erfahrungsgemäß sechs bis zwölf Monaten. Betriebswirtschaftliche Controllingmaßnahmen (siehe vierter Beitrag dieser Serie) wirken als sinnvolle, motivierende Ergänzung. Mit einem Prozess, wie ich ihn hier verkürzt skizziert habe, gelingt es, Praxisstrukturen in der Tiefe zu verdichten, eine durchgängig enge Patientenbetreuung zu etablieren und den Arbeitsalltag damit spürbar zu entspannen. Gleichlaufend wird das Umsatz- und Gewinnfundament der Praxis elementar und nachhaltig wirksam gesteigert.