Praxiseinrichtung 18.09.2017
Praxiskonzept mit Zukunft
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Heute ist (fast) alles einfach: Karies, Parodontitis und Zahnfehlstellungen generieren verlässlich das Arbeitsvolumen der Zahnärzteschaft. Das bei Bedarf zu leihende Geld ist billig wie nie zuvor und der Vorteil einer stabilisierten Zahngesundheit nach einer Behandlung ist immer mehr Menschen (Zu-)Zahlungen wert. Die eigene Praxisausstattung kann man im Zweifelsfall bequem sonntags vom Sofa aus im Internet ordern. Doch so einfach ist es nicht! Denn die „Do-it-yourself-Realisierungen“ von Praxiseinrichtungen bereiten oftmals Mühen und Kopfschmerzen. Wie kann man mit möglichst wenig Ungemach durch das Nadelöhr eines solchen Projektes kommen?
Zunächst einmal sollte man sich bewusst machen, dass bereits der Basismietvertrag z. B. über zehn Jahre einen ebenso hohen Kostenberg darstellt wie die komplette zahnärztliche Praxisausstattung selbst. Tendenz steigend. Unter diesem Gesichtspunkt sollte das Mietangebot sehr genau angeschaut und hinterfragt werden. Sind die Vorstellungen räumlich realisierbar? Wer zahlt eventuelle Anpassungen? Behält der Praxisstandort bis zum Berufslebensende seine Aktualität? Sind Umbauten und Anpassungen im laufenden Mietverhältnis möglich? Sind Sozietätsbildungen im Mietvertrag erlaubt? Ist ein Sonderkündigungsrecht im Falle der Berufsunfähigkeit vom ersten Tag des Mietverhältnisses an zugestanden? Bei genau diesen Klärungspunkten und möglichen Bedenken kann ein Protokollant, beispielsweise auch im Wege der Praxiswertermittlung, bei Übernahmen oder Eintritt in eine Sozietät Hilfestellung geben und die richtigen Fragen an die beteiligten Parteien stellen. Zielführender ist das Vorgehen, wenn die Parteien im Vorfeld schriftlich niedergelegt haben, was sie mit der Anmietung bzw. Vermietung der Räume bezwecken wollen. Hier gilt als Grundregel: Was schriftlich aufgesetzt und lesbar ist, ist im Zweifelsfall auch einklagbar.
Von Anfang an: Weiterentwicklung der Praxis im Blick
Bei einem Etagengrundriss, der mindestens an drei seiner vier Seiten über Fenster verfügt, sollten sich bereits ab 140 m2 geeignete Aufteilungsmöglichkeiten für eine zukunftsweisende Praxis ergeben. Ist der Grundriss so gestaltet, dass z. B. eine Mehrzahl von Behandlern zeitversetzt tätig sein können, bedeutet das eine zusätzliche betriebliche Sicherheit. Genügend Patientenzugang vorausgesetzt, kann so die Investition bei zwei Betreibern halbiert werden. Von Vorteil ist es, wenn dem Praxiseinrichtungsplaner ein Raumbuch mit detaillierter Vorgabe der jeweiligen Raumnutzung und der einzubringenden Gerätschaften, verbunden mit einer Nutzungsbeschreibung, von Beginn an zur Verfügung steht. Solches Vorgehen erspart Zeit, „vermeidet“ mögliche Missverständnisse und ermöglicht ein zielgerichtetes Vorgehen.
Wiederaufbereitungsraum ab 2020
Gegenüber tradierten Gewohnheiten sollte berücksichtigt sein, dass ab 2020 der Wiederaufbereitungsraum (vormals Steri genannt) ein Raum für die ständige Arbeit ist. Das heißt, mit einem zu öffnenden Fenster im Format von 10 Prozent der Grundfläche ausgestattet sein muss. Unterhalb einer Fläche von 15 m2 wird ein zukünftig als ständiger Arbeitsraum zu führender Wiederaufbereitungsraum kaum zu realisieren sein. Ausgestattet mit der obligatorisch getrennten steri-reinen und steri-unreinen Seite sollte zusätzlich an einen Sitz-Arbeitsplatz für Schreibarbeiten sowie an ausreichend Fläche für die zentrale Deponierung der fahrbaren Zusatzgeräte gedacht werden. CEREC-Aufnahmeeinheit, Prophylaxe-Cart, Endo-Cart, Implantologie-Cart, Chirurgie-Cart und KFO-Cart, um nur die gängigsten zu nennen, benötigen zum Einsatz Vor- wie Nachsorge. Zudem sind sie vom zentralen Wiederaufbereitungsraum aus gezielt zum jeweiligen Einsatzort zu rollen. Die vormalige Steri-Ecke, innen liegend, hat endgültig ausgedient. Sie war ohnehin schon immer zu klein.
Vorausschauender Entwurf
Eine Zahnarztpraxis, die auf dem Stand der Zahnheilkunde „lege artis“ betrieben werden soll, muss so ausgestattet sein, dass neben den reinen zahnärztlichen Behandlungsräumen zwei ZMF in der IP gleichzeitig behandeln können. Da können Räume sicherlich bei geschickter Terminplanung verschiedene Behandlungsschwerpunkte zugeordnet bekommen. Auch ist es eine Art Versicherung in die Zukunft, die eigene Praxis so zu planen, dass sie im Schicht- oder Teilschichtsystem betrieben werden kann. Die Wettbewerbslage in Verbindung mit den zunehmend direkt zahlenden Patienten wird es erfordern, erfolgreiche Praxen auch am Sonnabend geöffnet zu halten. Zugangszeiten von 7.30 bis 21.00 Uhr werden ohnehin eher die Regel werden. Dies sind Bedingungen, die der Einzelpraxisinhaber kaum wird erfüllen können. Dazu kommt eine immer dezidierter betriebene Zahnheilkunde, die in der jeweiligen Teildisziplin, auch bezogen auf die einzubeziehenden Gerätschaften, eine hohe Fallroutine verlangt. Dies sowohl um zahnmedizinisch als auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Ein Beispiel hierfür ist das Feld der ausgedehnten Endodontie.
Praxisplaner gefragt
Wie wichtig die Bedienung und Beratung durch auf der Höhe der Zeit geschulte Praxisplaner bzw. Praxislieferanten ist, sei am Beispiel der Wasserhygiene in Dentaleinheiten erläutert: Seit Jahren ist die Auflage für Praxisbetreiber, Sorge zu tragen, dass die Keimbefrachtung des Wassers in und aus Dentaleinheiten unter 100 KBE/ml (koloniebildende Einheiten) liegen muss. Ein Umstand, der erst jetzt, beginnend mit den Praxisbegehungen, geprüft und der ggf. der juristischen Relevanz zugeführt wird. Hier hat sich gezeigt, dass die zentrale Lösung der Erfüllung dieser Wasserhygieneauflage analog zur ebenfalls seit Langem etablierten zentralen Druckluft- und Vakuumversorgung eine besonders sichere und preisgünstige, Arbeitszeit sparende sowie betriebsstabile Lösung darstellt. Dabei darf es als besonderer Vorteil gesehen werden, wenn im sogenannten Offline-Verfahren lediglich die Dentaleinheiten im Weg eines bei der Praxisneugestaltung leicht zu integrierenden, separaten Wasserringes angeschlossen werden (vgl. AWMF-Leitlinienregister 075-002 Mai 2015 „Wasser in Dentaleinheiten”).
Umzug statt Renovierung
Bevor schon lang bestehende Praxisgrundrisse aufwendig renoviert werden, kann die Praxisverlegung (man ist als Mieter ja Kunde) dem angestammten Vermieter angedroht bzw. beim neuen Vermieter die Praxisrealisierung geprüft werden. Denn, wie heißt es so schön: Drum prüfe, wer sich ewig bindet.
So ein Umzug ist nicht selten preisgünstiger und mit Sicherheit viel stressfreier gegenüber einem aufwendigen Umbau im laufenden Praxisbetrieb. Beachtet werden sollte zudem, jedwede Fußbodenheizung, zumindest in den Behandlungsräumen, zu vermeiden und möglichst barrierefreie Praxisräume, im Erdgeschoss mit Vollkeller, zu schaffen. Jegliche installationstechnische Veränderungen in der Praxis, unmittelbar oder zukünftig, sind damit leicht, schnell und preisgünstig zu realisieren. Der neue Praxisgrundriss sollte ja möglichst wieder für einen langen Zeitraum funktionieren. Überlegt werden kann auch, die Installation für die spätere Einbringung von Kühldecken, mindestens in den Behandlungsräumen, gleich vorinstallieren zu lassen. Denn die Ansprüche von Patienten (und Personal) steigen weiter an, die Sitzungen dauern zunehmend länger. Ein gegenüber der Außentemperatur beispielsweise um drei Grad heruntergekühlter Raum wird sofort als angenehm empfunden und die Arbeits- und Behandlungsbereitschaft steigt so automatisch an.
Beratungs- und Büroräume
Jeder Behandler weiß aus Erfahrung, dass es von großem Vorteil für den Behandlungsverlauf wie das Endergebnis ist, einen informierten und überzeugten Patienten zu behandeln. Deshalb sollte ausreichend Raum außerhalb der Behandlungsbereiche für die Besprechung und Beratung des Therapievorgehens berücksichtigt werden. In Mehrbehandlerpraxen sollte zur Festigung und zum Erhalt des Betriebsfriedens jedem Behandler ein separater Büroraum – und sei er noch so klein – zur Verfügung stehen.
Parkplatzsicherung
Wettbewerbsvorteile können auch durch die Bereitstellung von Parkflächen geschaffen werden. Dabei ist nicht nur an Pkw (einschließlich Elektroladestation) zu denken. Überdachte Stellplätze für Fahrräder und Kinderwagen sowie ein behindertengerechter Zugang sind weitere Merkmale für Patientenkomfort. Wer es zudem noch schafft, für seine Mitarbeiter einen angenehmen und einladenden Aufenthaltsbereich zu schaffen, stabilisiert die Motivation am Arbeitsplatz nachhaltig. Gedacht werden kann hier an die ohnehin vorgeschriebene Ruheliege, einen Zugang zum Balkon und Ähnliches.
Ausblick
Und auch die Maschinen, gleichsam der Herz-Lungen-Bereich einer Praxis, benötigen einen technikgerechten Raum. Dabei sollte dieser dunkel, kühl und staubarm sein. Nicht selten werden Saugmaschine, Kompressor, Wasserenthärtungsanlage, Wasserhygienegeräte, Kältekompressor und die Heizungsanlage in viel zu enge, zu warme Räume gestaut. Dies ist schlecht für die Maschinenleistung, schlecht für den Maschinenerhalt und schlecht für die Wartung der Gerätschaften. Überhaupt ist in den Ablaufwegen, gleichsam der Ergonomie im Praxisgrundriss, eine Form von Zukunftssicherung auch im Werterhalt zu sehen. In der späteren Wertermittlung und der Anwerbung von Kaufinteressenten zahlt sich das Vordenken aus. Und zu guter Letzt – die zahnärztliche Praxis darf und sollte natürlich auch schön und komfortabel sein. Schließlich ist sie ein langfristiger Lebensraum für Inhaber und Mitarbeiter.
Der Artikel erschien in ZWP SPEZIAL 9/17.