Praxismanagement 23.10.2023
„Nach 41 Berufsjahren soll man es auch mal gut sein lassen“
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Gespräche über Fehler und Herausforderungen auf dem Weg zum Erfolg
In einem kürzlich erschienenen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (4. August 2023, Nr. 179) zog Dr. Rudolf Hellmuth nach über 40-jähriger Berufstätigkeit und kurz vor seinem Ausstieg aus dem aktiven Berufsleben Bilanz – und das ungewöhnlich offen und konkret: Dabei sprach der Zahnarzt aus Eching bei München nicht nur über seine Rentenbezüge, den Wert seiner Zahnarztpraxis und die Nachfolgeregelung, sondern auch über aktuelle Missstände der Berufspolitik. Bezugnehmend auf den FAZ-Artikel nahmen wir mit Dr. Hellmuth Kontakt auf und baten um ein ZWP-Gespräch. Der nachfolgende Beitrag in unserer Rubrik „Zahnbekenntnisse“ gibt die Kernpunkte dieses spannenden Interviews wieder.
Herr Dr. Helmuth, Sie sind 1982 in die Niederlassung gegangen und äußerten im Beitrag der FAZ, dass Sie heute im Rückblick so einiges anders machen würden. Was genau wäre das?
Wenn man frisch von der Uni kommt, denkt man, die Welt steht einem offen und lässt sich leicht von vielen Seiten lenken – von Depots, Beratern, Steuerkanzleien und Banken, die mit ihren durchaus legitimen Angeboten nur mein Bestes wollen, aber natürlich doch auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Hier wäre ich gerne besser aufgestellt gewesen, aber weder in der Uni noch in der späteren Assistenzzeit werden Betriebswirtschaft und Abrechnungsfertigkeiten thematisiert. Zumindest war es zu meiner Zeit so. Ich würde heute sicher immer zwei Ansprechpartner unabhängig voneinander aufsuchen und alle Pläne und Abmachungen gegenlesen lassen. Und was ich heute weiß und damals gerne gewusst hätte: Steuerersparnisse dürfen nicht in Konsum und Investitionen gehen, sondern müssen zur Tilgung herangezogen werden. Bei meiner Praxisfinanzierung mit einem Prozentsatz von 9,25 Prozent wurde ich nicht darauf hingewiesen, das Kontokorrent auch zu finanzieren. Das waren damals 16,5 Prozent.
Wie einfach oder schwer ist Ihnen das Unternehmertum in Ihrem Berufsleben gefallen?
Ich habe verschiedene Gesundheitsreformen und daran geknüpfte wirtschaftliche Einbrüche erlebt und mich bewusst bemüht, mich von äußeren Umständen freizumachen. Schon drei Jahre nach meiner Praxisgründung, also 1985, habe ich ein Prophylaxezimmer eingerichtet und das Thema Prävention gezielt an Patienten herangetragen. Heute beschäftige ich zwei Zahnmedizinische Fachassistentinnen und eine Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin auf zwei Behandlungszimmern. Maßnahmen wie Mehrkostenvereinbarungen, PAR2 GOZ, zusätzliche Leistungen wie Laserbehandlungen und Selbstzahler-Honoraranteile haben mich in der Vergangenheit – und tun dies nach wie vor – von den Launen der Politik etwas unabhängiger gemacht. Ich wusste auch immer, dass gute Fortbildungen – fachlich wie eben auch betriebswirtschaftlich – und die Fähigkeit, sich und sein Tun zu hinterfragen, um den eigenen Qualitätsmaßstab zu halten und zu verbessern, absolut unabdingbar sind. Dabei war mir wichtig, in Finanz- und Steuerfragen, gezielt Fortbildungsangebote wahrzunehmen, die nicht auf Verkauf und Akquise aus waren. Indem ich so vorging, stellte sich der finanzielle Erfolg fast automatisch ein und es bereitete mir Freude, mich auszukennen und informiert handeln zu können. Es braucht immer Kenntnisse und Fertigkeiten, um qualifiziert handeln zu können. Das betrifft das Fach Zahnmedizin genauso wie die wirtschaftliche Seite einer Praxisführung. Der Zahnärztliche Bezirksverband Oberbayern hat zu den erwähnten Themen ein modulares Fortbildungskonzept entwickelt – Econodent –, das gerade neu angepasst wird und dessen „neutrale“ Referenten keine wirtschaftlichen Interessen vertreten.
In Ihrem Gespräch mit der FAZ haben Sie Ihre monatliche Rentensumme von 3.300 Euro transparent gemacht. Die Bezüge hätten, so sagen Sie, auch mehr sein können, wenn Sie anders vorgegangen wären. Was meinen Sie damit?
Ich möchte nicht behaupten, dass ich direkt etwas falsch gemacht hätte; ich habe gut vorgesorgt und frühzeitig in die Bayerische Ärzteversorgung eingezahlt, aber ich hätte Gewinne aus verschiedenen Steuersparmodellen gerade in jungen Jahren gezielter in der Ärzteversorgung anlegen und verzinsen sollen. Das würde ich heute im Rückblick empfehlen: gerade in jungen Jahren in die Ärzteversorgung einzuzahlen, weil es nachhaltig und sicher ist, und auch langfristig gut verzinst wird. Man braucht unbedingt eine Lebensplanung als Grundgerüst, wo will man in fünf, zehn oder 20 Jahren beruflich und wirtschaftlich sein, um dann auch die entsprechenden Schritte zu gehen.
Sie sind noch bis zum Jahresende in Ihrer Praxis tätig und übergeben dann komplett an Ihre Nachfolgerin – Wie gestaltete sich die Nachfolgebesetzung und wie stehen Sie zu Ihrem nahenden Ausstieg?
Ich hatte mehrere Bewerber für die Übernahme meiner Praxis, unter anderem auch, weil mein Privathonoraranteil (versus Kassenanteil) sehr hoch ist – dieser liegt bei etwa 70 bis 75 Prozent. Die Praxis ist in einem sehr soliden Zustand und hat keinen akuten Renovierungsbedarf. Meine Nachfolgerin ist eine patente jüngere Kollegin, die mit neuen Ideen an den Start geht, und ich freue mich natürlich, dass die Praxis weiterlaufen wird. Der Ausstieg fällt mir leicht, nach ganzen 41 Berufsjahren soll man es auch mal gut sein lassen.
Wie stehen Sie zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz?
Fakt ist: Das Gesundheitssystem wird kein Budget für Zahnärzte mehr einräumen. Alles andere sind Lippenbekenntnisse der Politiker. Welcher Politiker würde sich noch in eine gesundheitspolitische Diskussion setzen und sagen: Wir müssen die Beiträge erhöhen, damit Zahnärzte mehr Honorar bekommen. Die Zeiten zeigen ganz klar auf eigenes Handeln im Sinne der Patienten und für den Erhalt der zahnmedizinischen Versorgung, die wiederum den Fortbestand von Praxen als Unternehmen voraussetzt.
Was braucht die neue Zahnmedizin heute, um zukunftssicher zu sein?
Schon im Studium müssen angehende Zahnärzte zu Unternehmern ausgebildet werden, die mit Kenntnissen, Freude und eigenverantwortlich das Unternehmen Zahnarztpraxis gestalten. Die Möglichkeiten sind vielseitig, man muss sie nur ergreifen, mit einem klaren Verstand und einer Passion für das, was man tut: nämlich das Leben der Patienten im Idealfall besser zu machen, sie von Schmerzen zu befreien und ihnen bei der Prävention zu helfen. Dass man darüber auch seine eigene Existenz sichert, braucht keine Rechtfertigung. Es ist die Voraussetzung, um handeln zu können. Bei Econodent gilt die Präambel: zum Wohle des Patienten unter Berücksichtigung der berechtigten wirtschaftlichen Belange einer Zahnarztpraxis. Nach diesem Motto sollte man seine Praxis ausrichten. Außerdem würde ich der jüngeren Zahnmedizin zu einem bedachten Investitionstempo raten. Bei einem stabilen Honorarfluss kann man auch zu späteren Zeitpunkten erweitern und Neuerungen einführen.
Der Zahnärztliche Bezirksverband Oberbayern bietet mit der modularen Weiterbildung Econodent u. a. speziell für Studierende Basics in BWL, Steuern, Investitionen und mehr. Themen wie „Wie führe ich ein Bankgespräch?“ oder „Wie verkaufe ich seriös meine Leistungen?“ werden fundiert aufgegriffen und vermittelt. Dabei haben die Referenten des Konzepts keine wirtschaftlichen Konflikte. Econodent wird auch von der Universität Heidelberg und dort von Prof. Dr. Diana Wolff sowie vom bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek unterstützt. |
Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 10/2023 erschienen.