Praxismanagement 19.04.2022
Wie gelingt gesundes, profitables Praxiswachstum?
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Die Patienten „rennen euch die Bude ein“, die Umsatzkurve zeigt fröhlich nach oben. Gleichzeitig kämpfen einzelne Schlüsselkräfte mit krasser Überlastung, die Praxisgewinne hinken noch hinterher und das richtig runde Erfolgsgefühl mag sich auch noch nicht einstellen? Es könnte am Organisations- und Führungskonzept liegen. Ab einem gewissen Wachstumsstadium brauchen Gewissheiten und Erfolgsmuster ein grundlegendes Umdenken. Zur Veranschaulichung der Thematik haben wir eine Infoskizze erstellt, mit der wir die grundlegenden Wirkkräfte des Phänomens erläutern.
Frau Klapdor, Sie kennen sich als Unternehmensberaterin sehr genau mit der Schnittstelle zwischen Menschen und Zahlen in einer Zahnarztpraxis aus: Können Sie uns in aller Kürze verraten, worauf es bei dieser Schnittstelle besonders ankommt?
Wirtschaftliche Erfolge werden traditionell in Zahlen gemessen, gleichzeitig entsteht in der Zahnarztpraxis jeder Gewinn oder Verlust aus dem Interagieren von Menschen. Unsere Überzeugung ist es insofern, dass jede Erfolgssteuerung wirksam nur an den Themen hinter den Zahlen – also bei den Menschen, der Kultur ihres Miteinanders und der Organisation, die ihr Wirken strukturiert – ansetzen kann. Die Herausforderung ist es, entscheidende Handlungsfelder zu erkennen, auf Fokus-Kennzahlen zu verdichten und Teams in die positive aktive Arbeit mit Kennzahlen einzubinden.
Sie haben nach 20 Jahren Consulting-Tätigkeit umgeschwenkt: Mit der KlapdorKollegen Academy bieten Sie Fortbildungen für Führungskräfte an – welche Themen stehen dabei im Mittelpunkt?
Zahnarztpraxen werden tendenziell immer größer. Das Qualifikationsniveau der jeweiligen Schlüsselpersonen bestimmt den möglichen Erfolgshorizont. Wir engagieren uns für menschlich und wirtschaftlich überzeugende Zahnarztpraxen. Unsere Academy bietet vor diesem Hintergrund einen thematischen Mix aus dentaler Betriebswirtschaft, Organisationswissen und Persönlichkeitskompetenzen – in Form von offenen Seminaren und individuellen Praxisprojekten.
Haben Sie einen zentralen Merksatz für unsere Leser?
Oh ja: Räume mieten, Technik oder ganze Praxen kaufen ist nicht die Kunst. Konzept- stärke, Organisationsstrukturen und potenzialorientierte Führung entscheiden über Erfolg und Zukunftsfähigkeit einer Zahnarztpraxis.
Prinzip Selbstoptimierung
Die meisten Mehrbehandlerpraxen sind aus Ein- und Zweibehandlerbetrieben (Kategorien I und II) entstanden. Praxisinhaber kommen damit aus einer Historie, in der der Fokus primär auf der Realisierung des eigenen zahnmedizinischen Konzeptes am Patienten liegt. Organisatorische wie personelle Abläufe sind mit auf diese individuellen Präferenzen optimiert. Die Resonanz vom Patienten und damit die Wertschätzung für das eigene Tun wird ungefiltert erlebt, gleichzeitig ist noch genug Zeit für den direkten menschlichen Draht ins Team: In den Kategorien I und II ist die Aufmerksamkeitsspanne in der Regel ausreichend, um jedes Teammitglied persönlich (gut) zu kennen und individuell anzusprechen.
Praxisexpansion
Im Wachstumsprozess vergrößert sich mit jeder Neueinstellung naturgemäß das Team, gleichlaufend reduziert sich die Präsenzwirkung von Praxisinhabern auf jeden Einzelnen. Parallel verteilt sich die Honorarleistung der Praxis auf eine zunehmende Anzahl von Köpfen.
Innerhalb dieses Wachstumsprozesses erlebt das Praxisteam an einem gewissen Punkt (meistens zwischen 18 und 22 Personen; im Einzelfall immer abhängig von der Inhaberstruktur), dass langjährig bewährte Handlungs- und Erfolgsroutinen auf einmal nicht mehr funktionieren (siehe gelbe Markierung in abgebildeter Skizze). Der zentrale Grund ist zunehmende Komplexität: Je mehr Menschen, Perspektiven, Erfahrungen und Handlungsebenen zusammenkommen, desto mehr Aktion, Reaktion und Wechselwirkungen entstehen im täglichen Miteinander. Zunehmende Komplexität bewirkt, dass Klarheit auf allen Ebenen schwindet. Fasziniert kann man dann beispielsweise feststellen, welche Therapieabläufe auf einmal in der eigenen Praxis realisiert werden, wie sich Materialvielfalten und Lagerhaltungen entwickeln, welche Patienten(gruppen) auf einmal im Wartezimmer sitzen bzw. ausbleiben, aus welchen Ecken personelle und organisatorische Irritationen kommen, die den gewohnten glatten Lauf durcheinanderbringen. In diesem Mix, also den Auswirkungen zunehmender Komplexität, keimen Reibung und Effizienzverluste mit entsprechenden Folgewirkungen auf Teamkultur bzw. Praxisgewinne.
Bei Praxisinhabern stellt sich in diesem Stadium häufig eine gewisse Ratlosigkeit (mitunter gepaart mit Frustpotenzial) ein, weil die ursprüngliche Zielvorstellung vom eigenen Arbeitsalltag in der größeren Praxis wenig mit der erlebten Realität zu tun hat: die Teamsituation wird als anstrengender erlebt, die Performance angestellter Zahnärzte bleibt hinter den Erwartungen zurück, die Liste zu erledigender „Kleinigkeiten“ verlängert sich, gleichzeitig ist der eigene Behandlungsplan voller denn je. Die Praxis ruft nach einem veränderten internen Konzept.
Erfolgreich in größeren, gesunden Strukturen
Gesund bedeutet hier: Die Praxis erwirtschaftet auch dann noch solide Gewinne, wenn der Chefbehandler (plötzlich) nicht mehr kann oder will. Sofern die größere Mehrbehandlerpraxis das erklärte unternehmerische Ziel ist, empfiehlt es sich, das oben beschriebene „Stadium Rüttelplatte“ (gelbe Markierung in der Infoskizze) vorausschauend zu managen und schnell zu überwinden. Dies funktioniert mit grundlegend veränderten Prinzipien in Management und Führung. Kernaufgabe ist es, sich weg von der Praxisinhaberzentrierung hin zum Funktionieren der Zahnarztpraxis als Organisationseinheit zu fokussieren.
Die wichtigsten Komponenten auf diesem Weg sind:
Kooperative Führung
- Bewusster Wechsel der Position – raus aus Rolle des Hauptumsatzträgers hin zum Förderer des Systems: mit der Hauptaufgabe, Rahmenbedingungen aufzubauen, in denen Mitarbeiter persönliche Entwicklung erfahren und die Stärken des Teams gebündelt werden.
- Aufbau und Steuerung eines qualifizierten Führungsteams inklusive systematischer Wahrnehmung der Führungsaufgaben in der Performance-Entwicklung angestellter Zahnärzte (siehe „Brillante Performance mit angestellten Zahnärzten“ in ZWP 11/20).
- Verfolgung von identitätsstiftenden, kooperationsförderlichen Praxiszielen anstatt behandlerfokussierten Honorarzielen.
Starke zweite Führungsebene
- Fundiert ausgebildete Praxismanager ins Boot holen, die eben nicht in Personalunion auch der „Kopf der Abrechnung“ sind, sondern sich mit voller Arbeitskraft auf den Personalbereich (als Basis jeglichen Erfolgs) und die Organisationseffizienz konzentrieren. Die qualifizierte Besetzung des Praxismanagements ist eine der wichtigsten Maßnahmen mit vielfältiger Positivwirkung nach innen und außen.
- Schrittweise Etablierung von Teamleitern, die bereichsbezogene operative Steuerungs- und Koordinationsaufgaben übernehmen. Mit einer reinen Benennung der Personen ist es natürlich nicht getan. Konkrete Aufgabenbeschreibungen und Qualifizierungen sind erforderlich, um tatsächliche Wirkungen und Wohlbefinden zu erleben.
QM für Organisation und Therapie
- Ein ausgefeiltes QM (so wenig wie möglich, so viel wie nötig) strukturiert das Gesamtgeschehen, jeder Neueinsteiger bekommt zur Begrüßung eine „Praxisfibel“ mit den wichtigsten Festlegungen.
- Therapeutische Leitlinien zur Sicherstellung einheitlicher Behandlungsabläufe.
- Definiertes praxisinternes Überweisungssystem.
- Klare Regeln für Dokumentation, Abrechnung und HKP-Abläufe.
- Praxismanagement trägt die Verantwortung für Beachtung von QM, steht für Rückfragen bereit und realisiert Prozesscontrolling (systematische Stichprobenchecks).
Praxissteuerung mit Kennzahlen
- Kennzahlen sind ein Teil des Handwerkszeugs jeder Führungskraft. Ob Praxisziele (ggf. kreativ) in Kennzahlen transferiert werden oder nicht, bestimmt die Ergebniswahrscheinlichkeit.
- Zentrale BWL-Parameter (Honorarstundensätze auf allen Plätzen, Delegationsquote, Patientenzahlen etc.) werden allen Führungskräften bekannt gemacht. Natürlich kennen auch alle Zahnärzte ihre Zahlen.
- Sukzessiver Einstieg in die aktive Arbeit mit Kennzahlen. Es ist belegt, dass Datentransparenz Motivationen befördert – also behutsam einsteigen, abwägen, welche Kennziffern wem offengelegt werden, und dann langsam vorarbeiten.
Fazit
Der Zukunftserfolg größerer Praxen entsteht initial aus einem bewusst veränderten Denkrahmen bei Praxisinhabern, mit dem erlernte, erfolgshinderliche Sichtweisen bzw. Gewohnheiten reflektiert und entsprechend korrigiert werden. Auf dieser Basis kann dann schrittweise ein modifiziertes Konzept für Management und Führung realisiert werden, das Kräfte im gesamten Team entfesselt, gesunde Leistungsstrukturen fördert, eine robuste Organisation entstehen lässt und nachhaltig gute Gewinne realisiert.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.