Recht 02.04.2014

Rechtliche Fallstricke einer Webseite & wie man sie vermeidet



Rechtliche Fallstricke einer Webseite & wie man sie vermeidet

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Ein Interview mit Dr. Michael Visse und RA Jens Pätzold.

Die Praxiswebseite ist integraler Bestandteil der Außendarstellung und ein wichtiges Mittel zur Patientenfindung und -bindung. Befragungen zeigen, dass sich rund drei von vier Patienten vor ihrem ersten Besuch im Internet über die Praxis bzw. deren Leistungsspektrum und Behandler informieren, hier aber vielfach auch medizinische Fragen zu bestimmten Indikationen oder Therapiemethoden klären möchten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Webseite ansprechend, übersichtlich und inhaltlich gut strukturiert ist.

Zunehmende Bedeutung erlangt jedoch auch die Rechtssicherheit der Webseite. Viele Kolleginnen und Kollegen haben mit den in letzter Zeit stark zunehmenden Abmahnwellen bereits leidige Erfahrungen gemacht. Eine Abmahnung ist nicht nur ärgerlich und zeitaufwendig, sondern vielfach auch teuer. Über die rechtlichen Fallstricke bzw. darüber, wie man eine Webseite rechtssicher gestaltet, sprachen wir mit dem Lingener Kieferorthopäden Dr. Michael Visse und dem Fachanwalt für Medizinrecht Jens Pätzold.


Abb. 1: Eine ansprechende Praxiswebseite ist heute unverzichtbar. Rechtliche Fallstricke sollten jedoch vermieden werden.


Herr Dr. Visse, Sie beschäftigen sich seit Langem intensiv mit dem Thema Internet und haben mit Ihrem Unternehmen iie-systems innovative Anwendungen zur Patientenkommunikation entwickelt, die Sie auch in Ihrer eigenen Praxis einsetzen. Eine Praxiswebseite ist für Sie daher vermutlich selbstverständlich.

Dr. Visse: Das ist richtig. Wir betreiben seit vielen Jahren eine informative und strukturierte Webseite, die wir im Laufe der Zeit ständig ausgebaut und optimiert haben. Für uns als Kieferorthopäden ist das Neupatienten-Management von entscheidender Bedeutung. Eine kieferorthopädische Behandlung ist in aller Regel nach zwei bis drei Jahren beendet, sodass wir uns ständig um neue Patienten bemühen müssen. Hier ist die Webseite ein ganz wichtiges Erfolgskriterium.

Sie sollen ein vehementer Verfechter der Aussage sein, dass es keine Frage ist, ob das Internet den Praxisalltag verändern wird, sondern nur, in welcher Geschwindigkeit. Stimmt das?

Dr. Visse: Unbedingt. Das ist meine feste Überzeugung, die ich aus eigener Erfahrung und aus Erfahrungen von Kollegen, die unsere iie-Applikationen nutzen, auch belegen kann. Während wir über das Internet früher nur informiert haben, treten wir darüber heute mit den Patienten in Interaktion. Aus meiner Sicht ist das für die Findung neuer Patienten sowie für die Patientenbindung absolut nicht mehr verzichtbar.


Abb. 2: Mit neuen Technologien werden auch innovative Wege der Kommunikation mit Patienten möglich.


Wie kann man sich das vorstellen, mit den Patienten in Interaktion zu treten?

Dr. Visse: Sehen Sie, neue Technologien erlauben neue Wege. Und diese Wege gilt es zu nutzen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Unsere Patienten haben die Möglichkeit, über unsere Webseite rund um die Uhr selbst einen Beratungstermin in der Praxis zu buchen oder unsere digitale Sprechstunde zu nutzen. Das wird sehr gut angenommen und extrem positiv bewertet. Das gilt auch für unsere sogenannte smile design-Bibliothek, bei der Patienten in einem geschützten Bereich der Webseite Behandlungsfälle anhand von Vorher-Nachher-Fotos betrachten können. Facebook, Google+ und jameda sind weitere Beispiele. Das auszuführen würde aber den Rahmen sprengen. Das wäre ein Thema, auf das man vielleicht an anderer Stelle nochmal näher eingehen sollte.

Darauf kommen wir mit Sicherheit im Laufe des Jahres noch zurück. Aber Sie erwähnten die Vorher-Nachher-Bilder in der smile design-Bibliothek. Ist das rechtlich erlaubt oder kann es hier zu Problemen kommen? Herr Pätzold, Sie sind der Fachmann.

RA Pätzold: Im Herbst 2012 wurden zahlreiche Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes geändert. Im Rahmen dessen kam es auch zu einer Neuregelung der viel diskutierten Vorher-Nachher-Bilder. Das bis dahin geltende Verbot wurde gelockert und neu geregelt. Seitdem sind sie nur noch untersagt, wenn sie in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise genutzt werden. Ausgenommen hiervon sind allerdings operative plastisch-chirurgische Eingriffe, für die die Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern auch weiterhin untersagt ist. Für die Zahnarztpraxis bedeutet das, dass nach dieser Maßgabe grundsätzlich mit Vorher-Nachher-Bildern geworben werden darf.

Abb. 3 und 4: Die Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern ist nicht mehr untersagt. Sie dürfen jedoch keinesfalls in missbräuchlicher oder irreführender Weise genutzt werden.

 

Herr Dr. Visse, Sie arbeiten ja seit Längerem mit Herrn Pätzold zusammen und haben auch Ihre Webseite einer ausführlichen rechtlichen Prüfung unterzogen. Was war für Sie der konkrete Auslöser? Hatten Sie Probleme mit Abmahnungen?

Dr. Visse: Nein, das hatten wir glücklicherweise nicht. Ich habe mich immer um die technische und inhaltliche Konzeption und den Ausbau der Webseite gekümmert und muss ehrlicherweise zugeben, dass ich dabei die rechtliche Situation zunächst gar nicht so in den Fokus gestellt habe. Aber Abmahnungen kommen ja immer häufiger vor. Offenbar gibt es eine ganze Reihe von Anwaltskanzleien, die sich ausschließlich darauf spezialisiert haben. Das hat mich verunsichert bzw. ich habe mir die Frage gestellt, ob unsere Webseite rechtlich wirklich einwandfrei ist. Eine Webseite dient ja zur Reputation und zur Außendarstellung einer Praxis. Abgesehen von den Kosten, die bei einer Abmahnung ggf. anfallen, wäre es mir sehr unangenehm, mich bei Kollegen oder Patienten zu blamieren, wenn sich hier Angriffspunkte bieten würden. Darum habe ich die Kanzlei Lyck & Pätzold gebeten, unseren Internetauftritt einer kritischen juristischen Prüfung zu unterziehen.

Herr Pätzold, haben Sie auf der Seite von Dr. Visse rechtliche Fallstricke gefunden?

RA Pätzold: Ja, wir haben in der Tat einige Defizite ermittelt. Unter anderem haben wir unzulässige Werbung für gewerbliche Drittunternehmen festgestellt, die von der Seite zu entfernen waren. Hierbei handelt es sich um einen Fehler, der auf zahlreichen Seiten zu finden ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 die Frage zu entscheiden, ob ein Zahnarzt, der auf seiner Internetseite damit wirbt, ein DVT-Gerät in seiner Praxis zu haben, dabei auch den Hersteller des DVTs namentlich erwähnen darf. Und es hat diese Frage klar mit Nein beantwortet, weil Fremdwerbung den Anschein erwecken kann, der Zahnarzt werbe wegen finanzieller Vorteile für die andere Firma. Der dadurch vermittelte Eindruck ist geeignet, langfristig das Vertrauen in den Zahnarztberuf zu untergraben. Das ist übrigens nichts Neues, sondern steht schon lange in der Berufsordnung. Gleichwohl wird es in vielen Praxen und auf vielen Internetseiten missachtet.

Herr Pätzold, die juristische Prüfung von medizinischen Webseiten ist ja einer Ihrer Schwerpunkte. Wie ist hier Ihre Erfahrung? Gibt es so etwas wie Kardinalfehler, die immer wieder gemacht werden?

RA Pätzold: Natürlich gibt es die Klassiker, wie ein fehlendes oder unvollständiges Impressum, die Nutzung von Bildern, für die man keine Nutzungsrechte erworben hat, oder das Werben mit Sonderpreisen. Ich erinnere nur an die üblichen Sommer-Bleaching- oder Weihnachts-PZR-Aktionen, in deren Rahmen dann die angebotenen Leistungen zu einem Sonderpreis beworben werden. Wenn das keine Abmahnung nach sich zieht, dann nur deshalb, weil die Internetseite offenbar nicht nur rechtlich Unzulänglichkeiten aufweist, sondern schlicht und einfach im Internet nicht gefunden wird. Bei manchen Internetseiten halte ich das noch für das Beste, was wir an der zu prüfenden Seite entdecken. Sie wissen vielleicht, dass wir Zahnarztpraxen nicht nur rechtlich beraten, sondern auch den Anspruch haben, Praxen durch unseren Rat besser und erfolgreicher zu machen. Daher weisen wir natürlich auch auf die strategischen Unzulänglichkeiten der Seiten hin. Und diese gehen allzu oft noch weit über die rechtlichen Unzulänglichkeiten hinaus.

Welche Konsequenzen drohen den Betreibern der Webseite, wenn die juristischen Mängel nicht behoben werden?

RA Pätzold: Dann kann die Seite jederzeit von der zuständigen Zahnärztekammer, von Wettbewerbern oder auch von Wettbewerbszentralen beanstandet und abgemahnt werden. Wenn es zur Abmahnung kommt, kostet das natürlich Zeit und Geld. Die Kosten kann man pauschal kaum beziffern. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel: Im vergangenen Jahr wandte sich ein Zahnarzt an mich, der ein Bild gekauft hatte, um es auf seine Internetseite zu stellen. Er hat das Bild auch ordnungsgemäß bezahlt, es jedoch versäumt, den Urheber des Bildes vereinbarungsgemäß auf seiner Internetseite kenntlich zu machen. Für diesen kleinen Fehler hat der Urheber dann Schadensersatz in Höhe von insgesamt 2.500 Euro geltend gemacht. Wir konnten dies auf 1.000 Euro reduzieren. Für einen so kleinen und vor allem vermeidbaren Fehler aber trotzdem viel Geld. Und stellen Sie sich nur vor, dieser Fehler passiert auf einer Internetseite mit zwei, drei oder gar zehn Bildern.

Herr Dr. Visse, Sie haben die rechtlichen Fallstricke auf Ihrer Webseite inzwischen sicherlich behoben.

Dr. Visse: Ja, selbstverständlich. Das haben wir umgehend getan. Nun sind wir auf der sicheren Seite, und ich habe auch persönlich ein sehr viel besseres Gefühl, weil ich sicher bin, nun keine bösen Überraschungen mehr erleben zu müssen. Die Investition hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Apropos Investition. Mit welchen Kosten muss eine Praxis denn für den juristischen Check der Webseite rechnen? Und wie lange dauert eine solche Prüfung?

RA Pätzold: Diese Frage kann man nur ganz individuell beantworten. Denn manche Webseiten haben vier oder fünf, manche bis zu 50 Unterseiten. Die eine Internetseite ist sehr textlastig, die andere arbeitet vor allem mit Bildern. Und so kann es sein, dass die eine Homepage in einer Stunde geprüft ist und die andere einen ganzen Tag zur Prüfung erfordert.

Dr. Visse: Hier möchte ich gerne noch ergänzen, dass eine juristisch bedenkliche Seite vermutlich sehr viel mehr Kosten verursacht. Wir danken der Kanzlei Lyck & Pätzold für die umfangreiche Prüfung und wir sind stolz darauf, das Gütesiegel der Kanzlei erhalten zu haben.

Gütesiegel? Können Sie das bitte noch kurz erläutern? Was hat es damit auf sich und wie können Praxen in den Genuss des Siegels kommen?

RA Pätzold: Wir stellen den Praxen, deren Homepage wir geprüft haben, ein Prüfsiegel in Form einer Grafik zur Verfügung, mit dem diese beispielsweise in ihrem Impressum darauf hinweisen können, dass die Seite entsprechend geprüft wurde. Der Zahnarzt kann damit auch nach außen hin kenntlich machen, dass er die rechtlichen Rahmenbedingungen und den Datenschutz ernst nimmt und beachtet.

Herr Dr. Visse, Herr Pätzold, vielen Dank für Ihren interessanten Erfahrungsbericht und Ihre juristischen Tipps.

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