Abrechnung 15.07.2016

Erstattungswillkür bei Fissurenversiegelung und plastischer Füllung



Erstattungswillkür bei Fissurenversiegelung und plastischer Füllung

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Eigentlich keine ungewöhnliche Sache in der zahnärztlichen Behandlung von Kindern: Im Rahmen einer Fissurenversiegelung nach GOZ-Nr. 2000 ergibt sich sitzungs- und ortsgleich die Notwendigkeit zum Beispiel einer Füllungsleistung nach GOZ-Nr. 2050 ff. Was zahnmedizinisch logisch und selbstverständlich erscheint, ist für private Versicherer häufiger Anlass für Mindererstattungsbescheide. Doch handelt es sich tatsächlich um reine Erstattungswillkür oder sind die Einwände der Versicherer mitunter sogar nachvollziehbar?

Erfolgt eine Minder- oder Nichterstattung in einem solchen Fall, wird dies häufig mit derartiger Argumentation untermauert: „... dass eine (erweiterte) Fissurenversiegelung auch dann vorliege, wenn der Zahn leicht präpariert werden muss und durch die Versiegelung eine Füllung vermieden oder noch eine Zeitlang hinausgeschoben wird.“ Die vermeintliche Konsequenz daraus sei, dass „die Abrechnung einer Füllungsleistung nach den GOZ-Nrn. 2050 bis 2120 an derselben Stelle … nicht statthaft“ sei.

Zahnmedizinische Definitionen

Wie dies einzuordnen ist, lässt sich nur anhand der Leistungsbeschreibungen und Abrechnungsbestimmungen der Nrn. 2000 und 2050 ff. GOZ in Zusammenschau mit den jeweiligen zahnmedizinischen Definitionen eruieren. Eine Fissurenversiegelung z.B. beinhaltet das Ausfüllen einer kariesfreien Fissurentiefe mit aushärtendem, fest anhaftendem Kunststoff. Sie verhindert so die Entstehung von Fissurenkaries. Damit diese Fissurenversiegelung lege artis erbracht werden kann, ist eine vorherige vollständige Entfernung der Beläge, zumindest auf der betreffenden Fläche – meist der Okklusalfläche – des Zahnes erforderlich. Nun ist es nicht selten, dass sich die Fissur nicht vollständig kariesfrei zeigt und folglich lokal subtraktiv präpariert werden muss.

In diesem Fall spricht man von einer sogenannten „erweiterten“ Fissurenversiegelung. Auch wenn dieses Vorgehen minimalinvasiv umgesetzt wird, handelt es sich rein gebührentechnisch um eine Füllung, oder wie der Verordnungsgeber es seit der Novellierung der GOZ 2012 bezeichnet, um eine Restauration. Deren Leistungsbeschreibung beginnt stets mit dem Text „Präparieren einer Kavität und Restauration …“ dieser Kavität. Eine manifeste Karies kann allerdings nicht nur in der Fissur, sondern auch auf den Glattflächen eines Zahnes auftreten. Der Vorteil, solche kleinsten Defekte mit speziell fließfähigem Flow- Komposit zu versorgen, liegt auf der Hand. Hier können sogenannte Versiegelungskomposite gegenüber klassischen Komposit-Füllungsmaterialien punkten, da sie selbst minimale Defekte ohne Leakage (Hohlräume) ausfüllen können und aufgrund der Möglichkeit der Anwendung der adhäsiven Befestigungstechnik auch lange Haltbarkeit garantieren.

Materialvarianten

Je nach Indikation und unter Berücksichtigung des Alters des Kindes gibt es auch gute Alternativen, wie z.B. fluoridhaltige selbsthaftende Kompomere, meist speziell zum Einsatz bei Milchmolaren. Beide Materialvarianten haben aus zahnmedizinischer Sicht ihre Berechtigung, „herkömmliche“ plastische Füllungsmaterialen geraten jedoch gerade im Milch- oder Wechselgebiss häufiger an die Grenzen der Einsatzfähigkeit. Da – wie erwähnt – kariöse Läsionen in einer Fissur genauso wie auf einer Glattfläche auftreten können, sind am selben Zahn auch Fissuren- bzw. Glattflächenversiegelung neben einer Fissuren- oder Glattflächenrestauration (bzw. -füllung) möglich und berechnungsfähig. Bedenken Sie, dass gerade hier die genaue Unterscheidung und Dokumentation weichenstellend ist für die spätere korrekte Abrechnung der erbrachten Leistungen.

Die Bundeszahnärztekammer folgt der Sach- und Faktenlage ohne Einschränkung und stellt in ihrem GOZ-Kommentar zur GOZ-Nr. 2000 (Stand 25.4.2014) fest: „Eine erweiterte Fissurenversiegelung wird wie eine definitive Füllung berechnet.“ Auch der GOZ-Ausschuss der LZK Baden-Württemberg hat sich zu dieser Thematik geäußert – dies bereits am 10.11.2004 – und mit der GOZ-Novellierung am 4.7.2012 erneut: „Die erweiterte Fissurenversiegelung geht über den Leistungsinhalt der GOZ-Pos. 2000 hinaus und ist deshalb nach GOZ-Pos. 2050 berechenbar.“

Es besteht also ohne Zweifel die Möglichkeit, ggf. die GOZ-Nrn. 2000 und 2050 ff. je nach Restaurationsmaterial und -technik nebeneinander zu berechnen, wenn ein Teil der Fissur mit einer minimalinvasiven Füllung versehen und der Rest des Fissurensystems mit Versiegelungsmaterial aufgefüllt wurde. Hilfreich zur Transparenz bei der Rechnungslegung ist eine kurze Angabe auf der betreffenden Rechnung, z.B. die Nennung der jeweiligen Füllungsfläche oder auch der Hinweis auf ein davon getrenntes, selbständiges Fissurensystem z.B. auf der Kaufläche bis vestibulär oder Ähnliches.

Präventive vs. erweiterte Fissurenversiegelung

Und um das Argument der Versicherer zur Nichterstattung zu entkräften, sei angemerkt, dass zwischen einer „präventiven“ und einer „erweiterten Fissurenversiegelung“ in jedem Fall zu differenzieren ist: Bei der präventiven Fissurenversiegelung werden die kariesfreien Fissuren, Fissurenanteile und Grübchen gesunder Zähne kurz mit Säure-Ätzgel vorbehandelt (SÄT mikroretentiv konditioniert), um für gute Haftung zu sorgen und der Entstehung kariöser Defekte vorzubeugen. Die „erweiterte Fissurenversiegelung“ – eigentlich ein unglücklicher Begriff, den man Missverständnissen vorbeugend vermeiden sollte – betrifft jedoch immer Zähne, die schon mehr oder weniger ausgeprägte kariöse Defekte aufweisen. Die bei der
reinen Fissurenversiegelung eingesetzte Technik wird in modifizierter Form bei einer „Fissurenfüllung“ zwar ebenfalls angewandt (ggf. plus adhäsive Befestigung eines Komposits (2197 GOZ), hat aber einen anderen, nämlich nicht mehr präventiven Hintergrund: Es muss nach der sorgfältigen Reinigung der Zahnoberfläche zusätzlich das vorhandene kariöse Material komplett und dennoch minimalinvasiv entfernt werden. Diese Art der Kunststofffüllung (2060 ff.) kann keineswegs „vermieden oder hinausgeschoben“ werden, wie gelegentlich Erstattung sparend argumentiert wird, gerade nicht im kindlichen Milch- oder Wechselgebiss.

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