Praxismanagement 16.08.2023
Praxisverkauf: Zur Bewertung einer Zahnarztpraxis
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Spätestens im Rahmen der Praxisübergabe stellt sich für den Praxisveräußerer sowie den Erwerber die Frage zur Ermittlung des „richtigen“ Praxiswertes. Hierbei gehen die Interessen der beiden Parteien naturgemäß auseinander. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Anlässe, zu denen eine Praxisbewertung erforderlich sein kann. Welche Anlässe dies sind und welche Methoden hierbei zur Anwendung kommen, soll der folgende Beitrag beleuchten.
Anlässe einer Praxisbewertung
Bei der klassischen Praxisübergabe ist es sinnvoll, als Basis für die Kaufpreisverhandlungen eine objektivierte Bewertung der Praxis durchzuführen. Viele Praxisübergaben scheitern, da die Vorstellungen über den Kaufpreis von Abgeber und Erwerber so weit auseinanderliegen, dass eine Einigung unmöglich ist. Dies lässt sich vermeiden, indem vorab ein für beide Seiten nachvollziehbarer Praxiswert ermittelt wird.
Scheidet ein Gesellschafter aus einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aus, ist es in der Regel ebenfalls notwendig, den Praxiswert zu bestimmen, um die Höhe der Abfindung für den ausscheidenden Gesellschafter festzulegen. Je nachdem aus welchem Grund der Gesellschafter ausscheidet, kommt es hier oftmals zu Streitigkeiten. Auch bei Ehescheidungen kann für die Bemessung des Zugewinnausgleichs eine Praxisbewertung notwendig sein. Um dies auszuschließen, kann ein Ehevertrag sinnvoll sein, der Regelungen enthält, wonach die Praxis beim Zugewinnausgleich unberücksichtigt bleibt. Diese Regelung findet man ebenfalls häufig in BAG-Verträgen, zum Schutz der Gesellschaft.
Zusammensetzung des Praxiswertes
Der Wert einer Praxis setzt sich regelmäßig aus dem materiellen Praxiswert und dem immateriellen oder ideellen Praxiswert („Goodwill“) zusammen.
Materieller Praxiswert
Der materielle Praxiswert ist die Summe aus dem Wert der einzelnen Anlagegüter der Zahnarztpraxis. Basis für die Ermittlung ist das Anlageverzeichnis der Praxis. Es ist daher darauf zu achten, dass das Anlageverzeichnis aktuell ist. Anlagegüter, welche nicht mitveräußert werden sollen, wie z. B. die Praxisimmobilie oder das Kfz, da diese vom Praxisabgeber zurückbehalten oder weitergenutzt werden, dürfen nicht berücksichtigt werden. In der Regel liegen die Werte im Anlagenverzeichnis unter dem tatsächlichen Verkehrswert. Das liegt daran, dass die steuerlichen Abschreibungszeiträume in der Regel kürzer sind als die tatsächlichen Nutzungsdauern. Im Idealfall zieht man zur Bewertung des materiellen Vermögens ein Dentaldepot hinzu, welches eine sehr exakte Einschätzung zu den Verkehrswerten abgeben kann. Wenn es sich dabei noch um ein unabhängiges Depot handelt, dann hat die Bewertung weder für den Abgeber noch für den Übernehmer einen faden Beigeschmack.
Ideeler Wert
Der ideelle Wert wird beeinflusst durch den Patientenstamm, den Ruf und die Marktstellung der Praxis, dem Anteil an Privatpatienten sowie der Frage, inwiefern Zuzahlungen von gesetzlich versicherten Patienten bereits etabliert sind. In Zeiten des Fachkräftemangels spielt das zu übernehmende Personal auch eine immer größere Rolle. Auch die Lage der Räumlichkeiten und die Möglichkeit, einen langfristigen Mietvertrag abzuschließen oder in diesen einzusteigen, bzw. die Möglichkeiten, die Praxis zu erweitern, sind zu berücksichtigen. Alle diese Faktoren spiegeln sich letztlich im Gewinn der Praxis bzw. in der Chance, mit dieser Praxis Gewinne zu erzielen. Und dafür ist der Übernehmer bereit zu bezahlen.
Die Faustformeln
Zur Ermittlung des ideellen Werts werden häufig sogenannte Faustformel-Methoden angewendet. Diese erfreuen sich unter Praktikern immer noch hoher Beliebtheit, da die Anwendung einfach und kostengünstig ist. Gängige Faustformel-Methoden sind die Ärztekammermethode sowie die Gewinn- und Umsatzmethode.
Vergangenheitsbetrachtung mit FallstrickenTrotz der einfachen Anwendung haben diese Methoden große Schwachstellen. Bei allen Faustformel-Methoden bilden die Daten der letzten drei Jahre die Grundlage für die Bewertung. Die Vergangenheitsbetrachtung ist aus Erwerbersicht aber durchaus problematisch. Letztlich wird ein Erwerber sich immer die Frage stellen, ob die in der Vergangenheit erbrachten Umsätze und Gewinne auch in Zukunft erwirtschaftet werden können. Sollte dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht der Fall sein, wird der Erwerber den Wert einer Praxis gegebenenfalls geringer einschätzen. Individuelle Praxiskostenstruktur unberücksichtigtAußerdem liegt bei den Faustformelmethoden der Fokus auf den Praxisumsätzen oder Gewinnen. Die individuelle Kostenstruktur der Praxis bleibt unberücksichtigt. Der Praxiserwerber wird im Verkaufsprozess die Einnahmen- und Kostenstruktur mithilfe von Beratern genau analysieren. Kennzahlen, wie die Zusammensetzung der Praxiseinnahmen, der Anteil der Personalkosten sowie die Umsatzrentabilität und vieles mehr interessieren einen Praxiserwerber besonders. Diese Kennzahlen fließen aber bei einer Bewertung mit Faustformel-Methoden nicht in die Beurteilung mit ein. Anwendung verschiedener MultiplikatorenDie Bestimmung des ideellen Wertes erfolgt bei den Faustformel-Methoden durch Anwendung verschiedener Multiplikatoren. So wird beispielsweise bei der Ärztekammermethode vom durchschnittlichen Praxisumsatz der letzten drei Jahre ein kalkulatorischer Arztlohn abgezogen. Ein Drittel des so ermittelten Wertes bildet dann den ideellen Praxiswert. Diese sowie alle weiteren Multiplikatoren haben alle gemeinsam, dass die Anwendung mit betriebswirtschaftlichen Argumenten kaum zu begründen ist. Die Faustformel-Methoden halten einer gerichtlichen Überprüfung nicht Stand und werden daher im Rahmen von Streitigkeiten nicht angewendet. Auch bei Verkaufsverhandlungen werden Wertgutachten, bei denen der Wert ausschließlich mithilfe von Faustformeln ermittelt wurde, kritisch gesehen. |
Das modifizierte Ertragswertverfahren
Aufgrund der Schwächen der Faustformel-Methoden hat sich mittlerweile die Anwendung des sogenannten modifizierten Ertragswertverfahrens durchgesetzt. Beim modifizierten Ertragswertverfahren handelt es sich um eine Weiterentwicklung des klassischen Ertragswertverfahrens zur Unternehmensbewertung, welches an die Besonderheiten bei der Bewertung von Zahnarztpraxen angepasst wurde. Die Grundlage für das modifizierte Ertragswertverfahren bildet die Annahme, dass der Wert einer Zahnarztpraxis durch die Möglichkeit bestimmt wird, in Zukunft Gewinne erwirtschaften zu können.
Überschussprognose
Im ersten Schritt ist eine Prognose der in Zukunft zu erwartenden Überschüsse herzuleiten. Hierfür werden die Zahlen der Vergangenheit analysiert. Gegebenenfalls müssen Praxiseinnahmen und -ausgaben bereinigt werden. War der Praxisabgeber beispielsweise als Gutachter tätig und die Vergütungen hierfür wurden als Praxiseinnahmen erfasst, so müssen die Praxiseinnahmen korrigiert werden, davon ausgehend, dass der Erwerber seinerseits die Gutachtertätigkeit nicht fortführt. Außerdem kommt es häufig vor, dass sich die Praxisimmobilie im Eigentum des Praxisabgebers befindet und nicht mit übertragen, sondern in Zukunft vom Erwerber angemietet wird. Für diesen Fall müssen die prognostizierten Mietzahlungen bei den Praxisausgaben berücksichtigt werden.
Einflussfaktoren auf ideellen Praxiswert
Wie oben bereits erwähnt, gibt es verschiedene Einflussfaktoren auf den ideellen Praxiswert. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese in der Regel in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren verflüchtigen oder auf den Erwerber übergehen, denn nach Übernahme einer Einzelpraxis wird nach drei Jahren vermutlich kaum ein Patient mehr wegen des Abgebers in die Praxis kommen. Daher wird beim modifizierten Ertragswertverfahren ein Betrachtungszeitraum zwischen zwei und fünf Jahren festgelegt.
Auch beim modifizierten Ertragswertverfahren wird vom prognostizierten Gewinn ein kalkulatorischer Zahnarztlohn sowie eine durchschnittliche Einkommensteuerbelastung abgezogen. Der verbleibende Überschuss wird dann über den Betrachtungszeitraum aufsummiert. Dabei werden die prognostizierten Überschüsse mit einem Kapitalisierungszins, welcher sich am aktuellen Marktniveau orientiert und um eventuelle Risikozuschläge korrigiert wird, abgezinst.
Vorteile des modifizierten Ertragswertverfahrens
Das modifizierte Ertragswertverfahren ist im Vergleich zu den gängigen Faustformel-Methoden komplexer in der Anwendung, führt aber zu belastbaren Ergebnissen bei der Praxisbewertung. Beim modifizierten Ertragswertverfahren haben viele Faktoren Einfluss auf das Ergebnis. Daher ist es wichtig, die getroffenen Annahmen und Prognosen stichhaltig zu begründen. Ein erfahrener Berater kann Ihnen bei der Bewertung Ihrer Praxis, welche letztlich Grundlage für die Kaufpreisverhandlungen sein kann, helfen.
Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel: „Bewertung einer Zahnarztpraxis“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 06/2023 erschienen.