Praxismanagement 10.03.2022

Praxissteuerung: Grafiken machen Entwicklungen sichtbar



Praxissteuerung: Grafiken machen Entwicklungen sichtbar

Foto: Freedomz – stock.adobe.com

Arbeitszeit ist Lebenszeit verbunden mit der Chance, frei zu arbeiten und ein eigenes Unternehmen aufzubauen. So könnte das Motto der drei Praxisinhaber aus Köln, Berlin und Hamburg lauten, über die hier berichtet wird. Sie sind alle ungewöhnlich erfolgreich mit sehr unterschiedlichen Konzepten. Bei ihren wirtschaftlichen Entscheidungen arbeiten sie allerdings alle mit dem Steuerungsinstrument ihres Steuerberaters.

Im Oktober 2018 betritt Dr. Kathrin Wasiljeff im Stadtteil Barmbek-Nord die Räumlichkeiten einer kieferorthopädischen Praxis, um eine Vertretung zu übernehmen. Kaum drei Monate später ist es ihre Praxis. „Ich war mit dem dritten Kind schwanger und hatte alles andere im Kopf, als eine in die Jahre gekommene Praxis zu übernehmen, die zudem mit 150 Quadratmetern und zwei Behandlungszimmern nicht gerade eine wettbewerbsfähige Größe aufzuweisen hatte“, erinnert sie sich. Trotz aller inneren Widerstände beschäftigt sich die junge Kieferorthopädin, die auch Betriebswirtschaft studiert hat, mit den Praxiszahlen. Die sind sehr gut, das Ertragspotenzial hoch, die Patientenstruktur solide. Schließlich folgt sie, nach Rücksprache mit Ehemann und Steuerberater, ihrem Bauchgefühl und geht das Wagnis ein. Sie investiert mit Augenmaß, entscheidet sich gegen ein glattes Praxisdesign, renoviert in kleinen Schritten und entdeckt ihr Improvisationstalent. Die Bank gibt ihr eine ordentliche Finanzierung. Familie und Praxis bekommt sie unter einen Hut, indem sie eine Kieferorthopädin einstellt. Die zwei teilen sich die Arbeit untereinander auf und es läuft.

Keine Zahlenfriedhöfe, sondern verständliche Charts

Bei der wirtschaftlichen Steuerung helfen ihr die Auswertungen ihres Steuerberaters. Keine Zahlenfriedhöfe, sondern Charts. „Spannend sind für mich die laufenden Fälle (s. Chart 1). Ich weiß, dass ich ein bis zwei neue Behandlungsfälle (Laufzeit je Behandlung liegt bei ca. drei Jahren) pro Tag benötige, damit sich Zu- und Abgänge ausgleichen. Die Praxis wächst, wenn mehr als zwei Fälle am Tag reinkommen.“ Wie viele der Behandlungsfälle KZV-Fälle und wie viele Selbstzahler-Fälle (z. B. Erwachsenen-KFO) sind, zeigt ein weiteres Chart. „Möchte ich den Anteil der Erwachsenenbehandlungen erhöhen, kann ich hier ablesen, ob und in welchem Umfang Marketingmaßnahmen greifen.“

Ihr Erfolgskonzept ist schnell auf den Punkt gebracht: Sie nimmt sich viel Zeit für die Beratung und verordnet nicht. Alle Behandlungsoptionen werden erläutert – am Ende entscheidet der Patient. Das spricht sich rum. Ihr Steuerberater berät bundesweit mehrere Hundert Zahnarztpraxen und bietet daher sehr gute interne Vergleichszahlen. Diese Benchmarks ermöglichen eine wirtschaftliche Orientierung, die normale betriebswirtschaftliche Standardauswertungen nicht bieten können. „Ich mache mir also längst keine Gedanken mehr darüber, wenn Handschuhe um einen Euro teurer werden. Auch meine überdurchschnittliche Kostenquote macht mich nicht nervös, denn die Investition in eine teure Rezeption macht sich an anderer Stelle bezahlt. Das gesamte Team arbeitet seither ruhiger und produktiver.“

Chart 1: Entwicklung der Zu- und Abgänge ©PraxisNavigation, Prof. Dr. Bischoff & Partner

Die Praxis „die 3 zahnärzte“ befindet sich im Kölner Stadtteil Sülz mitten in einem Wohngebiet. Seit 2013 ist den drei Zahnärzten, Till Switek (rechts im Bild), Alexander Strunz und Dr. Anna Dreßler, nicht nur die erfolgreiche Übernahme der alt eingesessenen Praxis gelungen, sondern auch die Steigerung der Einnahmen um 24 Prozent – organisch, ohne Google und Co. Wachstumsmotor ist die Einführung eines Schichtbetriebs mit drei angestellten Zahnärzten. Viele Patienten sind zudem selbst Heilberufler und stärken das Empfehlernetzwerk. An ihrem Beruf lieben die drei vor allem die persönliche Beziehung zu ihren Patienten, die teils in dritter Generation in die Praxis kommen. „Unser Erfolgsrezept besteht darin, dass wir aus Patientensicht fast nichts verändert, gleichzeitig aber die Arbeitsabläufe effizienter gestaltet und die Technik modernisiert haben“, erläutert Alexander Strunz. Seine Kollegin, Dr. Anna Dreßler, hatte vor der Übernahme bereits fünf Jahre in der Praxis als angestellte Zahnärztin gearbeitet. „Ich bin in die Rolle reingewachsen und weiß, wie wichtig eine offene und vertrauensvolle Kommunikation mit dem Team ist“, beschreibt Dreßler ihre Erfahrung und ergänzt, dass dies, neben klaren Absprachen über die Gewinnverteilung, auch die Basis für die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen ist.“

Chart 2: Entwicklung Praxiseinnahme und abgerechnete Leistungen ©PraxisNavigation, Prof. Dr. Bischoff & Partner

Immer im Blick: Einnahmen, Gewinn und Liquidität

Der Kaufmann unter den drei Praxisinhabern ist Till Switek, dessen Vater die Praxis mit zwei Kollegen jahrzehntelang geführt hat. „Um die steigenden Kosten bei Material, Einrichtung und Personal abdecken zu können, müssen wir unsere Einnahmen kontinuierlich steigern. Wenn uns das gelingt, bleibt auch genügend Geld für Investitionen, Wachstum und für uns selbst übrig“, erklärt er. Um die Entwicklung im Auge zu behalten, nutzt er vor allem die Charts über Einnahmen, Gewinn und Liquidität (s. Chart 2). Sie untermauern die unternehmerischen Entscheidungen – und beruhigen.

Mit der Anmietung der 450 Quadratmeter großen Praxisräume auf dem Tempelhofer Damm geht Tareq Yassien aufs Ganze. Unbedingt sollen es diese gut erreichbaren, barrierefrei zugänglichen Praxisräume im Erdgeschoss sein. „Ich war 27, hatte eine Vision, aber weder Geld noch unternehmerische Erfahrung.“ Er vertraut seinem Instinkt und der Businessplanung seines Beraters. Am 11. Februar 2019 sitzt er mit zwei Zahnarzthelferinnen in der riesigen Praxis. In nur knapp drei Jahren hat der junge Zahnarzt, dessen wöchentliche Arbeitszeit oft mehr als 60 Stunden beträgt, seine Praxis zu einem profitablen Unternehmen gemacht. Mit seiner eigenen Marke, DentZ „Ihr Lächeln – Unsere Leidenschaft“, die er künftig auf weitere Standorte übertragen möchte, setzt er auf die persönliche, ganzheitliche und langfristige Betreuung seiner Patienten. „Ich will strukturiert und umsichtig wachsen, denn ich habe großen Respekt vor der Verantwortung als Unternehmer.“ Für ihn steht und fällt der Praxiserfolg mit dem Team, „denn nur, wenn alle an einem Strang ziehen und Spaß an der Arbeit haben, geht unsere Praxisphilosophie auf“, ist Yassien überzeugt.

Chart 3: Erwartete Steuerzahnlungen ©PraxisNavigation, Prof. Dr. Bischoff & Partner

Stetige Zahlen-Rückkopplung

Ob er mit seinem Bauchgefühl auf dem richtigen Weg ist, bestätigen oder korrigieren die Charts aus seinem Steuerungsbericht. So schaut er regelmäßig auf seine Einnahmen, wie sie sich auf die einzelnen Behandlungsbereiche verteilen und im Vergleich zu den Vorjahresquartalen und seinen Zielen entwickelt haben. Er achtet darauf, dass die Einnahmen mindestens zu 50 Prozent aus privaten Leistungen erzielt werden. Die Patientenzahlen müssen steigen und die Kostenquote soll im Rahmen bleiben, denn für den gerade eingestellten Oralchirurgen und den Zahntechniker müssen Einnahmen generiert werden. Böse Überraschungen in Form von Steuernachzahlungen, von denen gerade junge Zahnarztpraxen berichten, kennt er nicht. Denn anhand seiner Steuerhochrechnung sieht er auf einen Blick (s. Chart 3), welche Zahlungen wann anstehen und ob er hierfür ausreichend Geld beiseitegelegt hat. „Ich finde es wichtig, dass mein Steuerberater mehr aus meinen Zahlen macht.“

Dieser Beitrag ist in der aktuellen ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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