Praxismanagement 05.07.2022
Zur Wirtschaftlichkeit in der Kinderzahnheilkunde
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Ist eine reine Kinderzahnarztpraxis wirtschaftlich rentabel? Ja, meint Praxismanager, Controller und Coach Toni Heidrich. Was es dabei zu beachten gilt, stellt das folgende Kurzinterview vor. Weitere Tipps und Informationen zur Wirtschaftlichkeit einer spezialisierten Kinderzahnarztpraxis bietet Toni Heidrich über sein Fortbildungsangebot Praxiscoaching.me
Herr Heidrich, Sie sind Praxismanager in der Münchner Praxis Kinderzahnärzte am Ostpark – Worin sehen Sie die wirtschaftlichen Besonderheiten einer spezialisierten Kinderzahnarztpraxis?
Zum einem ist das Leistungsspektrum einer auf Kinderzahnheilkunde spezialisierten Zahnarztpraxis selbstverständlich deutlich kleiner als das einer „normalen“ Zahnarztpraxis. Wir machen deutlich weniger, das aber konsequent und durch unsere Expertise souverän und effizient, und dieses Tempo wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus. Dies setzt jedoch voraus, dass die Praxis ausreichend Behandlungszimmer zur Verfügung hat. Oftmals wird dieser Punkt bei der Planung unterschätzt und lässt sich dann durch ein in der Regel schnelles Praxiswachstum nicht schnell genug korrigieren. Es braucht mindestens vier Behandlungszimmer in einer reinen Kinderzahnarztpraxis, um die Rentabilität der Praxis zu garantieren. Wir haben zum Beispiel in unserer Praxis elf Behandlungszimmer für neun Kinderzahnärzte. Zum anderen erlebt eine Kinderzahnarztpraxis ein erhöhtes Patientenaufkommen mit vielen kleinen Terminen, für die es die erwähnten Behandlungszimmer braucht, und das auch ein Mehr an Mitarbeitern erfordert. Das heißt, eine reine Kinderzahnarztpraxis braucht eine erhöhte Anzahl an Personal und hat dadurch auch einen hohen Personalkostenfaktor. Hier sollte jedoch nicht hinterfragt werden, was das Personal kostet (und wie sich dieser Kostenfaktor verringern lässt), sondern vielmehr, was das Personal leistet und wie sich das Personal optimal und für die Praxis gewinnbringend einsetzen lässt. Aufgrund der größeren Anzahl an Personal ist es zudem ratsam, gleich von Beginn an Führungsmitarbeiter einzustellen bzw. zu schulen, um Aufgaben und Verantwortlichkeiten in eine mittlere Führungsebene zu delegieren. Hier gilt: Ab zehn Mitarbeitern braucht es eine Zwischenführungsperson.
Sie erwähnten den hohen Personalkostenfaktor – Welche weiteren Kostenfaktoren spielen gerade in einer Kinderzahnarztpraxis eine Rolle und warum?
In einer Kinderzahnarztpraxis sind Rüstkosten und Leerkosten ein großer Faktor, weil wir mit vielen verschiedenen Patienten arbeiten, die relativ jung sind und dadurch ein erhöhtes Ausfallrisiko besteht, wenn die Kinder plötzlich krank sind, eine Großfamilie die koordinierten Termine ihrer Kinder im hektischen Familienalltag vergessen hat oder das Familienauto auf dem Weg in die Praxis streikt. Solche unvorhergesehenen Ausfälle müssen, kontinuierlich über den Tag verteilt, kompensiert werden, indem sogenannte Toppings, das heißt zusätzliche Leistungen, eingeschoben werden. Die Rüstkosten beinhalten die Vor- und Nachbereitungszeit einer Behandlung. Wenn zum Beispiel an einem Nachmittag 15 Patienten in einem halbstündigen Takt einbestellt werden, bedeutet das: fünfzehn Mal das Behandlungszimmer vor- und nachbereiten. Zur Vorbereitung gehört nicht nur die Vorbereitung am Behandlungsstuhl, sondern auch das Begrüßen und Abholen der kleinen Patienten vom Wartebereich, das Briefen der Eltern und Bereitmachen des Kindes auf dem Stuhl. Um diese Verluste so gering wie möglich zu halten, sollte die Vor- und Nachbereitungszeit so effektiv wie möglich gestaltet werden: zum einen kann hier mit verschiedenen Vorbereitungstrays gearbeitet werden, die mit nur einem Zug aus der Schublade bereitstehen, zum anderen erhalten Mitarbeiter durch Kommunikationsschulungen die notwendige Kompetenz, um vertrauensvoll auf Kinder eingehen und eine reibungslose Patientenbetreuung gewährleisten zu können. Zudem könnte man auch zusätzliche Springermitarbeiter einstellen, die während einer Behandlung schon den nächsten Patientenvorgang vorbereiten. Leerkosten sind jene Kosten, die durch kurzfristige Terminabsagen entstehen; dabei stehen einer oder mehrere Behandlungsstühle still und es kann kein Umsatz erwirtschaftet werden. Hier sollte man schnell agieren und versuchen, Patienten vorzuziehen, um den Leerlauf auf das Tagesende zu legen und die Zeit dann für Aufgaben zu nutzen, die ebenfalls notwendig sind, zum Beispiel für die Reinigung oder Recall-Anrufe. Leerkosten können auch kleine Bremsen im Workflow sein, wenn zum Beispiel ein Behandlungszimmer nicht ausreichend vorbereitet ist. Solche unnötigen Leermomente lassen sich in der Regel durch eine optimale Organisation vermeiden.
Stichwort Toppings – Was verbirgt sich genau dahinter?
Toppings ergeben sich im Behandlungsalltag, wenn zum Beispiel eine terminierte Behandlung durch eine kurzfristige Absage ausfällt und der Behandler die laufende Behandlung verlängert, um weitere Behandlungspunkte, die eigentlich für einen neuen Termin vorgesehen waren, vorzunehmen. So kann der Behandler, wenn der Patient mitmacht, anstelle einer Füllung gleich mehrere Füllungen absolvieren und einen oder weitere Termine einsparen, die dann wieder Neupatienten offenstehen. Toppings können auch Röntgenbilder, das Versiegeln bleibender Zähne oder eine ausführliche Aufklärung und Beratung sein. Um den Stau, der sich durch diese Toppings im Tagesverlauf anhäuft, aufzuheben, haben wir in unserer Praxis zwischen 16.00 und 16.30 Uhr eine geblockte Zeit, in der keine Termine vergeben werden. In dieser halben Stunde reguliert sich der Praxiszeitplan und wir können den Tag pünktlich beenden.
Dieser Beitrag ist in der Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.