Psychologie 22.07.2022
Wertschätzung und Klarheit als Motor der Kommunikation
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Werte, auf die sich ein Praxisteam in seinem Alltag beziehen kann, erleichtern das Miteinander sehr. Sie sind Grundlage, Richtschnur und damit Hilfe für alle Beteiligten. Die beiden Werte „Wertschätzung“ und „Klarheit“ spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie zentrale Motivatoren für alle Beteiligten sind. In diesem Artikel werden Tools vorgestellt, mit denen diese Werte konkret gelebt werden können.
Die eigene Wertschätzung leben
Wertschätzung hat viele Gesichter. So kann man sich selbst wertschätzen oder diese anderen gegenüber leben. Beides ist ebenso sinnvoll für sich selbst als auch gewinnbringend für den Praxisalltag. Der nachfolgende Artikel gibt ein paar Tipps, wie man sich selbst Wertschätzung entgegenbringen kann – als ZFA und als Praxisleitung.
Der Tag ist stressig, weil der Praxisablauf oft durcheinanderkam. Die Lieblingskollegin ist zudem im Urlaub und die ZFA freut sich auf den Feierabend. Am Nachmittag merkt sie, wie sie langsam den Überblick verliert. Was muss jetzt noch in Zimmer 2 nachgeräumt werden? Zudem wollen die anderen Mitarbeitenden noch so viel von ihr wissen – ein Gefühl von Hilflosigkeit macht sich breit bei ihr. Daher holt sie tief Luft und nimmt sich einige Minuten Zeit für sich selbst. Sie hält kurz inne und erinnert sich an ein schönes Bild aus dem letzten Urlaub. Sie schließt die Augen dabei und atmet bewusst langsam und ruhig. Es klappt: Sie merkt, wie sich das Bild vor ihrem inneren Auge aufbaut. Es ist eine Szene am Strand. Sie spürt den Sand, den Wind und hört das Lachen der Freunde. Sie spürt, wie sich eine Leichtigkeit in ihr breitmacht. Sie holt noch einmal tief Luft und geht zu den Kolleg*innen zurück. Die kurze Pause und die Bilderreise haben gutgetan. Sie fühlt sich nun etwas kräftiger und hat einen klareren Kopf für die nächsten Aufgaben.
Solche kleinen mentalen Stärkungen für den Alltag oder den Feierabend gibt es viele. Es hilft immer, sich eine kurze Auszeit zu nehmen und sich etwas Gu-tes zu tun. Vielleicht kann man auch die anderen Mitarbeitenden um Unterstützung bitten oder mit der Praxisleitung besprechen, was auch noch auf morgen verschoben werden kann? Überhaupt: den anderen zu sagen, wie es einem geht und um Unterstützung zu bitten bzw. sich abzustimmen, hilft schon weiter. Auch für die Praxisleitung ist es hilfreich und stärkend, sich mental immer wieder kleine Auszeiten zu nehmen. Als Selbstständige*r muss man viele Entscheidungen treffen. Da fragt das Steuerbüro nach dem Personalbogen von neuen Mitarbeitenden und die Agentur nach der Freigabe für die neue Website. Beim Vorbeigehen fällt auf, dass die Implantate wieder fehlen, und außerdem will man noch neue Stühle für das Wartezimmer bestellen. Fragen über Fragen. Wo also anfangen? Oft hat man in solch einer Situation das Gefühl, man sei fremdgesteuert. Alle wollen etwas und man muss sofort reagieren – so das vorherrschende Gefühl, das man auch bewusst beeinflussen kann. So kann die Praxisleitung z. B. Dinge an andere delegieren (Implantatbestellungen) und der Agentur sagen, dass sie die Freigabe übermorgen erteilt. Man kann sich im Praxisalltag Freiräume schaffen, indem man sich selbst Deadlines vorgibt und die Anfragen nach Kategorien unterschiedet:
- Muss ich das wirklich selbst machen oder kann ich es delegieren?
- Welche Deadline kann ich vorgeben?
- Muss ich wirklich jeden Termin sofort annehmen, der an mich herangetragen wird?
- Der erste Schritt kann also sein, die Dinge selbst zu bestimmen (Themen, Termine, Deadlines).
Ein weiterer Tipp für die eigene Wertschätzung als Selbstständige*r ist der Blick auf die eigenen Erfolge. Man lehnt sich einfach am Wochenende zurück und überlegt bewusst, was in der vergangenen Woche toll gelaufen ist. Was hat man erreicht/bewirkt? Auf was ist man stolz? Wo hat man etwas gemacht, was vorher noch nie gemacht wurde? Seine Erfolge sollte man auch einmal genießen und sich dafür feiern. Außerdem sollte man die eigene Wertschätzung sich selbst gegenüber bewusst und regelmäßig leben, um die wichtigste Ressource, die man in der Praxis hat, zu stärken: nämlich den eigenen Körper und die mentale Stärke.
Klarheit bringt Menschen zusammen
Auch diese Situation kennen wir alle: Da haben wir uns über eine/n Kolleg*in geärgert, weil wiederholt eine Aufgabe nicht erledigt wurde. Oder Mitarbeitende sprachen unfreundlich mit einem/r Patient*in. Egal, ob Mitarbeitende oder Praxisleitung – so etwas zu erleben oder von den Folgen betroffen zu sein, macht wütend. Schließlich hat man doch gemeinsam darüber gesprochen. Warum wurde denn schon wieder etwas nicht bzw. falsch gemacht? Die betreffende Person weiß doch, was die Praxisleitung bzw. was alle im Team von ihr erwarten – denkt man sich da vielleicht. Und damit beginnt der Kreislauf: Weil man wütend/enttäuscht über dieses Verhalten ist, nimmt man in der Folge vor allem jenes Verhalten dieser Person wahr, was man nicht gut findet. Man hat sozusagen eine Brille auf. Man sucht innerlich nach Belegen, dass auch andere Dinge falsch gemacht werden. So sieht man sich prompt bestätigt, wenn ein Fehler auffällt. Die Wut steigt weiter und irgendwann platzt dann alles – bei einer Kleinigkeit – heraus. Sich selbst sieht man im Recht und schaut doch in überraschte große Augen des Gegenübers.
Bei einem solchen Kreislauf gibt es nur eins: Durchbrechen. Klarheit bedeutet im Praxisalltag, dass man zeitnah und unter vier Augen ein Gespräch mit den betreffenden Mitarbeitenden führt. Diese sollten schnell erfahren, wie ihr Verhalten auf die anderen im Team wirkt. Sie müssen es schnell erfahren, damit sie auch dazu Stellung nehmen können. Schließlich haben sie ein Recht darauf, ihr Verhalten zu erklären. Klarheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein solches Gespräch daher zeitnah geführt wird. Das muss nicht am gleichen Tag erfolgen. Wer Zeit braucht, um die eigenen Emotionen zu regulieren, der sucht am nächsten Tag das Gespräch. Wichtig ist nur, dass es überhaupt geführt wird (und nicht beim Jahresgespräch fünf Monate später). Idealerweise steuert man die eigenen Emotionen, indem man sich bewusst darauf vorbereitet. Hier hilft es, sich schriftlich zu notieren, was man sagen möchte, z. B. anhand dieser Fragen:
- Was ist wirklich passiert? (Nicht: Was habe ich interpretiert?)
- Was kann ich den Mitarbeitenden an Hilfe anbieten?
- Was konkret erwarte ich an Verhalten oder Leistung?
Eindeutig formulierte Erwartungen helfen weiter
Klarheit bei der Mitarbeiterkommunikation bedeutet vor allem, dass die Praxisleitung aufzeigt, welches Verhalten sie konkret erwartet. Der Satz, freundlich zu den Patient*innen zu sein, löst bei Auszubildenden eher Unverständnis aus, da diese vielleicht gar nicht wissen, was die Praxisleitung konkret damit meint. Manche verstehen ein Lächeln und andere eine konkrete Anspracheformel. Soll der/die Patient*in vom Wartezimmer ins Behandlungszimmer begleitet werden? Hier helfen konkrete Formulierungen und exakte Beschreibungen des gewünschten Verhaltens. Vielleicht war es auch jemand der berufserfahrenen Mitarbeitenden, der einen Konflikt hatte? Auch hier helfen zunächst das Zuhören und die gemeinsame Lösungssuche. Was wünscht die Praxisleitung, wie künftig ein Konfliktgespräch konkret geführt wird? Welche Tipps hat sie für die Mitarbeitenden?
Klarheit bei der Kommunikation bedeutet auch, gemeinsam auf Lösungssuche zu gehen. Die Frage: „Warum haben Sie dies getan?“ hilft da wenig, weil es rückwärtsgewandt ist. Es ist daher sinnvoll, sich zunächst die Situation erklären zu lassen („Was ist passiert?“) und dann die Mitarbeitenden zu fragen, wie sie künftig ihr Verhalten ändern möchten.
Klarheit bedeutet auch, dass man sich selbst die Chance gibt, jene Bilder, die im eigenen Kopf von den Mitarbeitenden entstanden sind, zu revidieren. Aufeinander zuzugehen, sich zuzuhören und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, bewirkt eine besondere Form der Zusammenarbeit. Man entwickelt sich dabei gemeinsam weiter.
Fazit
Mit gelebter Wertschätzung und Klarheit entsteht ein Miteinander, das von Vertrauen und Verständnis geprägt ist. Dies hat viele Vorteile für diejenigen, die bereits Teil des Praxisteams sind. Aber auch für die Suche nach weiteren Mitarbeitenden ist dies ein wichtiger Aspekt. Es sind genau diese beiden Werte, die für viele unserer Fachkräfte von großer Bedeutung sind. Viele suchen genau solche Praxen, wo dies gelebt wird. Diese beiden Werte wirken damit sowohl als Motivator als auch Aushängeschild, die mit wenig Aufwand umgesetzt werden und dabei viel bewirken können.
Der Beitrag ist im Endodontie Journal erschienen.