Branchenmeldungen 10.07.2023
Management von Komplikationen in der zahnärztlichen Chirurgie
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Auch in diesem Jahr folgten über 250 Zahnärzte, Oralchirurgen und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen der Einladung des ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Fouad Khoury (Münster/Olsberg) zur Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Oral- und Kieferchirurgie (AGOKi) zusammen mit dem Arbeitskreis für Oralpathologie und Oralmedizin (AK OPOM) in Bad Homburg (Abb. 1). Die Veranstaltung widmete sich folgenden Themen: Komplikationen in der zahnärztlichen Chirurgie, Weichgewebsmanagement und Biologisierung in der Kieferchirurgie. Besonders erwähnenswert war der Schlagabtausch zwischen PD Dr. Dr. Schiegnitz (Pro) und Prof. Dr. Dr. Terheyden (Contra) zu Avoid Augmentation Konzepten. Dies ist ein Bericht über die Höhepunkte und Erkenntnisse dieser Tagung.
Komplikationen in der zahnärztlichen Chirurgie
Zunächst wurden verschiedene Aspekte von Komplikationen im Fachgebiet behandelt, darunter Prävalenzen, Vermeidungsstrategien und Behandlungsmöglichkeiten. Zum Einstieg gab es ein Update zu entzündlichen Knochenerkrankungen nach dentoalveolären Eingriffen (Prof. Dr. Dr. Schliephake, Göttingen) und Wundheilungsstörungen (Prof. Dr. Mertens, Heidelberg). Besonders relevant war eine aktuelle Studie zur Antibiotikaresistenz im Fachbereich, die von einer Arbeitsgruppe aus Berlin und Wien präsentiert wurde, wobei die zunehmende Resistenzentwicklung nochmals zur rationalen und verantwortungsvollen Verwendung ermahnt. Aus der Mainzer Arbeitsgruppe wurde die Verwendung von Zinkoxid-Nanopartikeln zur Förderung der oralen Wundheilung bei der Verwendung von Biomaterialien vorgestellt.
Passend hierzu untersuchte eine weitere Studie die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine durch Makrophagen nach Exposition gegenüber Titandioxidpartikeln. Am Patienten wird die Tendenz zu dieser entzündlichen Reaktion mittels Titanstimulationstests untersucht. Die Ergebnisse der Studie von Frau Dr. Stolzer (Hamburg) zeigen, dass ein positives Testergebnis signifikant mit der Ausbildung einer Periimplantitis korreliert. Für die überzeugende Präsentation und die große Relevanz des Themas wurde Frau Dr. Stolzer mit dem Posterpreis der AGOKi ausgezeichnet. (Abbildung 2 zeigt einen Einblick in die Posterausstellung). Zum Abschluss der ersten Session stellte Dr. Wentorp (Olsberg) eine Behandlungsstrategie zur Therapie frakturierter Implantate mittels Knochendeckelmethode vor (Abb. 3).
Passend zu diesem Vortrag schloss sich die Disputatio mit dem Titel „Dimensionsreduzierte Implantate sind eine zuverlässige Alternative bei reduziertem Knochenangebot“ an, die von Prof. Khoury moderiert wurde. Die Fürsprache wurde von Dr. Schiegnitz (Mainz) gehalten und die Contra-Argumente wurden von Prof. Terheyden (Kassel) präsentiert. Die Präsentationen beider Referenten folgten einem klaren roten Faden und die Argumente wurden durch die Ergebnisse der DGI Konsensuskonferenz sowie aktuelle Übersichtsarbeiten untermauert. Dr. Schiegnitz ging strukturiert auf alle Möglichkeiten, Augmentationen zu vermeiden, ein und stellte hierbei die aktuelle Literatur zu durchmesserreduzierten und kurzen Implantaten, aber auch zu anderen Konzepten wie schrägen Implantaten oder Zygoma-Implantaten vor. Es sollte beachtet werden, dass insbesondere bei stark durchmesserreduzierten Implantaten die Indikation deutlich eingeschränkt ist. Andererseits gibt es vielversprechende Daten und Metaanalysen zu kurzen Implantaten mit einer Länge von ≤6mm. Prof. Terheyden relativierte jedoch diese Bewertung von Dr. Schiegnitz und wies darauf hin, dass die genannten Metaanalysen im Wesentlichen nur die Daten eines Zeitraums von bis zu drei Jahren ausgewertet haben. Insbesondere technische Komplikationen, wie Frakturen durchmesserreduzierter Implantate treten erst nach dieser Zeit auf. Aber auch Periimplantitiden häufen sich erst nach dem genannten Untersuchungszeitraum und die Behandlung dieser Erkrankung, die oftmals resektiv durchgeführt wird, ist bei kurzen Implantaten stark limitiert. Daher bemühte Prof. Terheyden den treffenden Vergleich zur oft kritisierten geplanten Obsoleszenz von Haushaltsgeräten oder anderen technischen Geräten. Anders als bei diesen Geräten ist das Ziel einer implantatchirurgischen Rehabilitation nicht das Überdauern der Garantie, sondern der möglichst lange, wenn nicht sogar der lebenslange Erhalt der Implantate. Daher waren sich die Referenten einig, dass diese Implantattypen nur eine eingeschränkte Indikation haben. Sie sollten hauptsächlich bei Patienten eingesetzt werden, bei denen aufgrund ihrer Anamnese komplexe augmentative Verfahren keine Option darstellen. Die Wahl des richtigen Implantats trägt somit zur Prävention von Komplikationen bei.
Weichgewebsmanagement
Die breite Palette der Vorträge zu diesem Thema verdeutlicht erneut die hohe Bedeutung des Weichgewebsmanagements in unserem Fachbereich. Zunächst gab Prof. Dr. Dr. Kramer aus Bonn einen Überblick über intraorale Lappendesigns, während PD Dr. Dr. Raguse (Münster/Hornheide) extraorale Lappentechniken vorstellte. Direkt im Anschluss stellte Prof. Dr. Dr. Meyer (Münster) seine Daten zur Etablierung einer dreidimensionalen skelettalen und Weichgewebs-Schädelkephalometrie vor. Im Rahmen der Studie wurden die DVTs von 90 Probanden mit einer Angle Klasse I standardisiert ausgewertet. Mit Hilfe einer „Procrustes transformation“ konnten vier Normschädelformen identifiziert werden, die als individueller Leitfaden für die kieferorthopädische Behandlung und die 3D-Planung in der orthognathen Chirurgie nützlich sein könnten.
PD Dr. Dr. Lutz aus Erlangen präsentierte mit eindrucksvollen Bildern Techniken zur sekundären Rehabilitation von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Er erläuterte die zentralen Planungsparameter, wie Weichgewebsdefizit/-überschuss oder das Vorliegen einer suffizienten/insuffizienten zirkulären Muskelschlinge des M. orbicularis oris, sowie die allgemeine Therapiestrategie der MKG-Klinik Erlangen. In seinem Vortrag beschäftigte sich Prof. Dr. Dr. Eckert (Nürnberg) mit einer äußerst interessanten anatomischen Region, nämlich der interdisziplinären Behandlung von Malignomen der Lid- und Periorbitalregion. Obwohl die Anzahl der ophthalmologisch-kieferchirurgisch interdisziplinär behandelten Patienten im Vergleich zum Gesamtkollektiv in seiner Studie gering war, stellt die Lid- und Periorbitalregion eine operative Herausforderung dar, da Malignome häufig eine erhebliche Tiefeninfiltration aufweisen. Dadurch sind oft totale Resektionen der Lidregion einschließlich angrenzender Gewebestrukturen für einen R0-Status erforderlich. Daher sollte die Behandlung in Zusammenarbeit mit der Ophthalmologie durchgeführt werden.
Auch in der klassischen Oralchirurgie ist ein gutes Weichgewebsmanagement unerlässlich. Zunächst berichtete Dr. Katz (Aachen) über die Anwendung der Laser Doppler Flowmetrie und Gewebespektrometrie zur Erkennung gingivaler Entzündungen. Ihre prospektive, klinische Studie zeigte, dass diese Techniken im Vergleich zu aktuellen Optionen in Zukunft eine größere Zuverlässigkeit der Befunde ermöglichen könnten. Insbesondere beim Vorliegen großer vertikaler Defekte ist die Optimierung der Weichgewebsverhältnisse vor und während der Hartgewebsaugmentation erforderlich. Zu diesem Thema präsentierten zwei Referenten aus Olsberg ihre Behandlungsstrategie. Zunächst stellte Dr. Zastera (Olsberg) zwei verschiedene Techniken zur Präparation gestielter Bindegewebstransplantate aus dem Gaumen für den präaugmentativen Weichgewebsaufbau vor. Es wurde das klassische gestielte Bindegewebstransplantat mit einer tunnelierenden Variante unter Erhalt einer Weichgewebsbrücke verglichen (Abb. 4a und b). Der Erhalt der Weichgewebsbrücke scheint das Auftreten von Weichgewebsnekrosen insbesondere im Empfängerareal zu reduzieren und wird deswegen präferiert. Anschließend präsentierte Dr. Hanser (Olsberg) zwei verschiedene Schnittführungen für die vertikale Kieferkammaugmentation im Unterkiefer, wobei insbesondere eine laterale ins Vestibulum versetzte Schnittführung große Vorteile für die Wundheilung verspricht. Das operative Vorgehen der vertikalen Augmentation mit Hilfe einer lateralen Schnittführung (lateraler Tunnel) wird in den Abbildungen 5 a‒d präsentiert.
Biologisierung in der Zahnmedizin
Die Präsentation von Prof. Dr. Dr. Smeets (Hamburg) über zahlreiche Themen wie PRF, PRGF, PRP, allogene Knochenersatzmaterialien, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel bot eine gute Einführung in das Hauptthema des Arbeitskreis AKOPM. PD Dr. Lotter (Tübingen) präsentierte Anwendungen im Bereich der Gesichtsästhetik. Vor allem ging er auf die Verwendung von Platelet Rich Plasma (PRP) zur Faltentherapie, auch als Vampire Lifting in den sozialen Medien bekannt, ein. Im Vordergrund steht hierbei nicht wie bei der Anwendung von Hyaluronsäure die Unterspritzung von Falten, sondern die Verjüngung des Teints durch den positiven Effekt auf die Hauttextur und -struktur. Dr. Straub (Würzburg) stellte mit der Verwendung von Platelet Rich Fibrin (PRF) als Biocarrier für systemisch verabreichte Antibiotika eine Therapie vor, die insbesondere in schlecht vaskularisierten Arealen, wie bei antiresorptiva-assoziierten Nekrosen, die Prävalenz von Wundheilungsstörungen reduzieren könnte.
Die Anwendungsmöglichkeiten in der Implantologie wurden von Prof. Smeets erörtert. Die Hauptbotschaft seines Vortrags war, dass die verschiedenen Produkte PRP, PRF, PRGF und Hyaluronsäure scheinbar einen positiven Einfluss auf die Heilung haben, jedoch die genaue Quantifizierung der Effekte schwierig ist und keine klare Empfehlung für ein spezifisches Material gegeben werden kann. Insbesondere bei Biologika wie PRP, PRF und PRGF ist zu beachten, dass ihre Wirksamkeit stark von individuellen Faktoren des Patienten abhängt (Alter, Krankheiten usw.). Neben der Vermeidung von Blutentnahmen könnte daher die standardisierte Qualität von Hyaluronsäure ein Vorteil gegenüber anderen Materialien sein. Eine weitere interessante Verwendung von PRF stellte Prof. Dr. Dr. Ghanaati (Frankfurt) mit dem Guided Open Woundhealing Ansatz vor. Dieses Konzept sieht durch den Einsatz von PRF vor, in geeigneten Indikationen eine Lappenmobilisierung und die häufig damit verbundene Verstreichung des Vestibulums zu vermeiden.
Eine weitere interessante Möglichkeit ist die Biologisierung von Implantaten mittels Kaltplasma, wodurch die Implantatoberfläche hydrophil wird und somit die Anlagerung von Osteoblasten erleichtert wird. Nichtinvasives physikalisches Plasma kann aber auch zur Wundtherapie eingesetzt werden, wie von Dr. Eggers aus Bonn in einer In-vitro-Studie an humanen Gingivazellen und Gewebeproben gezeigt wurde. Anhand seiner Daten konnte Dr. Eggers klar regenerationsassoziierte Faktoren nachweisen und möchte in zukünftigen Studien auch die Anwendung bei antiresorptiva-assoziierten Nekrosen erforschen. Die vorgestellten Studien zeigen, dass dieses noch junge Forschungsgebiet der Biologisierung potenziell die medizinische Landschaft stark beeinflussen könnte.
Research Competition
Neben der zuvor erwähnten Studie von Dr. Eggers aus Bonn präsentierten fünf weitere Wissenschaftler ihre Arbeiten im Rahmen der diesjährigen Research Competition vor. Die Research Competition wurde 2018 als neues Element zur Stärkung der Forschung eingeführt. Sechs von einer Jury ausgewählte Forschergruppen präsentieren dabei die besten im vergangenen Jahr veröffentlichten Arbeiten. Der Gewinner wird jedoch demokratisch vom Publikum bestimmt.
Der diesjährige Gewinner, Dr. Halstenbach aus Freiburg im Breisgau, stellte eine Pilotstudie zur proteomischen Untersuchung des Sulkusfluids zur Diagnostik periimplantärer Erkrankungen vor. Die Arbeitsgruppe aus Freiburg im Breisgau beschrieb erstmalig in der Literatur Veränderungen im Proteom bei Periimplantitis im Vergleich zu gesunden Implantaten und Zähnen. In Zukunft könnte diese Verschiebung hin zu proinflammatorischen Proteinen im Proteom möglicherweise als Frühindikator einer Periimplantitis dienen. Der Zweitplatzierte, PD Dr. Dr. Kniha, präsentierte eine Studie zur entzündlichen Wirtsreaktion und Veränderung periimplantärer Parameter unter systemischer Alendronat- und Zoledronattherapie am Rattenmodell. Bei Ratten unter antiresorptiver Therapie konnte durch die Verwendung alternativer Implantatmaterialien (Zirkon) keine bessere Prognose als bei Standard-Titanimplantaten erreicht werden. Interessanterweise zeigte sich in der Studie, dass die Kontrollgruppe das niedrigste Implantatüberleben aufwies, während die Implantate in der Zoledronatgruppe die höchsten Überlebensraten aufwiesen. Der dritte Preis wurde Herrn Vinayahalingam für seine Präsentation zur künstlichen Intelligenz in der Oral- und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie verliehen. Anders als die anderen Kandidaten stellte er nicht nur eine Publikation vor, sondern präsentierte seinen umfassenden Forschungsansatz zur Anwendung von Deep Learning in der Zahnheilkunde ‒ von der reinen Diagnostik bis hin zur Behandlungsplanung. Besonders praxisrelevant ist sicherlich sein Ansatz zur automatisierten Diagnose von Mundschleimhauterkrankungen anhand intraoraler Fotografie. Der Algorithmus erzielt bereits eine hohe Sensitivität und Spezifität bei der Erkennung von Plattenepithelkarzinomen, während die Diagnose anderer Veränderungen, wie lichenoider Erkrankungen, noch nicht zuverlässig möglich ist. Herr Vinayahalingams Ausblick auf die Zukunft bietet viele spannende Veränderungen für unseren Fachbereich. Neben der Verleihung der Preise der Research Competition wurde Frau Prof. Dr. Schmidt-Westhausen während des Spargelessens mit der Ehrenmitgliedschaft der AGOKi für Ihre langjährigen Verdienste in der Arbeitsgemeinschaft ausgezeichnet. Damit ist sie erst die Fünfte, die diese Auszeichnung in der über siebzigjährigen Geschichte der AGOKi überhaupt erhält und die erste Frau (Abb. 6).
Update Oralchirugie
Auch in diesem Jahr wurde das Update Oralchirurgie als eine Art Pre-Kongress-Fortbildung angeboten. Neben einem Update für alle aus dem Fachbereich dient diese Fortbildung auch als Vorbereitung für die Fachzahnarztprüfung. Die diesjährige Veranstaltung behandelte folgende Themen:
Oralchirurgie beim onkologischen Patienten, Erkrankungen der Speicheldrüsen und manifestierte Syndrome im Kieferund Gesichtsbereich. Prof. Kramer präsentierte strukturiert die Auswirkungen und therapeutischen Ansätze der onkologischen Therapie auf unseren Fachbereich. Dr. Lutz behandelte die Erkrankungen der Speicheldrüsen und bot einen umfassenden Überblick über entzündliche, nichtentzündliche, maligne und benigne Erkrankungen. Besonders interessant war seine Beschreibung der Metastasierung des an sich benignen pleomorphen Adenoms durch dessen unvollständige Resektion oder möglicherweise bereits durch eine Feinnadelbiopsie. Aus diesem Grund wird in Erlangen bei Verdacht auf ein pleomorphes Adenom, dem häufigsten gutartigen Tumor der Speicheldrüsen, keine Nadelbiopsie durchgeführt.
Prof. Dr. Jackowski hielt einen Vortrag über die Manifestation von Syndromen im Kiefer- und Gesichtsbereich und zeigte dabei eine besondere Leidenschaft für sein Forschungsgebiet. Da sich 15 Prozent der seltenen Erkrankungen orofazial manifestieren, sind diese für jeden Oral- und Kieferchirurgen von großer Relevanz. Neben den bekannten Syndromen, wie Morbus Behcet, Morbus Osler oder dem Sjögren-Syndrom, ging Prof. Dr. Jackowski auch ausführlich auf das Burning-Mouth-Syndrom ein, das selten in einer solchen Klarheit besprochen wurde. Dabei ist die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Mund- und Zungenbrennen von großer Bedeutung. Letzteres kann einer anderen Krankheitsentität zugeordnet werden und präsentiert sich oft zusammen mit einer visuell-sichtbaren Effloreszenz, wodurch es häufig kausal behandelt werden kann. Beim primären Zungenbrennen spielen jedoch auch psychosoziale Faktoren eine Rolle, was eine besondere Herausforderung für die Arzt-Patienten-Kommunikation darstellt, da stets die psychologische Mitbehandlung im Raum steht.
Zusammenfassend lohnte sich für das Update Oralchirurgie auch in diesem Jahr eine frühere Anreise und stellte eine ausgezeichnete Vorbereitung für die Fachzahnarztprüfung dar.
Die Rekonstruktion des Orbitabodens: immer mit PSI
Die abschließende Disputatio der Jahrestagung widmete sich der Rekonstruktion des Orbitabodens. Laut Leitlinie besteht bei sämtlichen Frakturen mit ausgeprägter Dislokation, klinischen Symptomen und funktionellen Einschränkungen wie Doppelbildern, Enophthalmus, Hypästhesien oder großflächigen Defekten die Indikation für ein operatives Vorgehen. Das primäre Ziel ist die funktionelle Restitutio ad integrum mit ästhetischer Rehabilitation des äußeren Erscheinungsbildes. Allerdings wird keine generelle Empfehlung für ein bestimmtes Material gegeben. Die kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema war die Fragestellung der Disputatio, wobei Prof. Dr. Dr. Gellrich (Hannover) die Fürsprache für das patientenindividuelle Implantat (PSI) hielt und Prof. Dr. Dr. Wiltfang (Kiel) die Gegenargumente vortrug. Die Quintessenz der Disputatio war, das für kleinere Orbitawanddefekte mit zirkulärer Auflage Membranen oder Folien eingesetzt werden können und das patientenindividuelle Implantat insbesondere bei größeren Defekten Vorteile aufweist.
Der große Vorteil des PSI ist, dass auf Grundlage des CT-Datensatzes der Orbitaring der gesunden Seite gespiegelt werden kann und somit eine prognostisch gute und reproduzierbare Versorgung möglich ist. Der Operateur sollte allerdings mehrere Techniken beherrschen, um jeden Defekt adäquat korrigieren zu können.
Die Jahrestagung der AGOKi und des AK OPOM war erneut ein voller Erfolg. Neben dem äußerst interessanten Tagungsprogramm zeichnete sich die Veranstaltung durch die familiäre Atmosphäre mit dem informellen Austausch in der Industrieausstellung und das traditionelle Spargelessen aus. Ab dem nächsten Jahr wird die Tagung erstmals nicht mehr an Christi Himmelfahrt selbst, sondern am Wochenende davor stattfinden, und zwar am 3. und 4. Mai 2024, um die Teilnahme an dieser besonderen Veranstaltung besser mit der Familie vereinbaren zu können. Zu der traditionellen Jahrestagung möchte der Vorstand der AGOKi (Abb. 7) und der AK OPOM auch im nächsten Jahr herzlich einladen.