Praxismanagement 09.03.2022
Schutzkonzepte in Praxen für Kinder und Jugendliche
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Teil 1: Aufnahme in das interne Qualitätsmanagement
Mit einer QM-Richtlinienerweiterung im Dezember 2020 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) soll das Ziel verfolgt werden, Missbrauch und Gewalt insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen oder hilfsbedürftigen Personen in medizinischen Einrichtungen vorzubeugen, zu erkennen, adäquat darauf zu reagieren und zu verhindern. In dieser Fachartikelserie wollen wir die wichtigen Hintergründe für das zahnärztliche Gesundheitswesen zum Thema Gewalt und Missbrauch aufzeigen und Möglichkeiten der Entwicklung eines einfachen Schutzkonzeptes klären.
Hintergründe
Die QM-Richtlinie legt grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement für Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren, Vertragszahnärzte sowie zugelassene Krankenhäuser fest.
Der G-BA greift mit der Erweiterung zum Jahresende 2020 auch die Empfehlung des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und weiterer Institutionen an Politik und Gesellschaft auf, in allen Einrichtungen und Organisationen wirksame Schutzkonzepte zu entwickeln, um (sexuelle) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu verhindern und Betroffenen Unterstützung und Hilfe zu ermöglichen. Gerade medizinische Einrichtungen, sowohl Kliniken, niedergelassene Ärzte und Zahnärzte als auch Psychotherapeuten, haben eine besondere Rolle als Schutz- und Kompetenzort für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Das bedeutet zum einen, dass institutionelle Strukturen und Abläufe so gestaltet werden, dass Grenzüberschreitungen erkannt, benannt und Maßnahmen ergriffen werden, diese zu stoppen bzw. zu verhindern, damit diese Orte nicht etwa zu Tatorten werden.
Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche versorgen, müssen sich gezielt mit Prävention und Intervention bei (sexueller) Gewalt und Missbrauch befassen. Daraus sollen künftig der Größe und Organisationsform der Einrichtung entsprechend konkrete Schutzkonzepte abgeleitet werden. Unter anderem gilt es, Kindern und Jugendlichen, die von Gewalt betroffen sind, in medizinischen Institutionen Unterstützung und Hilfe anzubieten. Diese Ziele können durch die Entwicklung eines Schutzkonzeptes, das an die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Einrichtungen angepasst ist, erreicht werden.
Die beschlossenen Vorgaben zu Schutzkonzepten sehen vor, dass je nach Einrichtungsgröße, Leistungsspektrum und Patientenklientel über das spezifische Vorgehen zur Sensibilisierung des Teams sowie weitere geeignete vorbeugende und eingreifende Maßnahmen entschieden wird. Dies können Informationsmaterialien und Kontaktadressen im Wartezimmer, Schulungen/Fortbildungen/ Belehrungen für die Mitarbeiter, Verhaltenscodices für das Team, Handlungsempfehlungen für die verantwortlichen Behandler, Interventionspläne oder umfassende Schutzkonzepte sein. Das bedeutet zum einen, dass praxisinterne Strukturen und Abläufe so gestaltet sind, dass Grenzüberschreitungen erkannt, benannt und Maßnahmen ergriffen werden, diese zu stoppen bzw. präventiv zu verhindern („kein Tatort werden“). Zum anderen muss Kindern und Jugendlichen, die von (sexueller) Gewalt betroffen sind, in der medizinischen Institution Unterstützung und Hilfe angeboten werden. Dies kann durch die Entwicklung eines internen Schutzkonzeptes, das an die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Einrichtungen angepasst ist, in dem internen Qualitätsmanagement integriert, erreicht werden.
Klarstellung
Mit den sektorenübergreifenden Vorgaben zum Qualitätsmanagement löste der G-BA im Jahr 2016 seine sektorspezifisch festgelegten Anforderungen ab – seitdem gelten für Krankenhäuser, vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Praxen weitgehend die gleichen Regeln bei der Etablierung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements. Beispielsweise müssen sich Krankenhäuser und Praxen Qualitätsziele setzen und sie regelmäßig kontrollieren. Zudem müssen sie Verantwortlichkeiten klar festlegen und ein Risiko- und Fehlermanagement durchführen. Die Einrichtungen können bei der Einführung und Umsetzung ihres Qualitätsmanagementsystems eine eigene Ausgestaltung vornehmen oder auf vorhandene Verfahren bzw. Modelle zurückgreifen.
Bei der Entwicklung eines Schutzkonzeptes zur Prävention und Hilfe bei Missbrauch und Gewalt für eine durchschnittlich große Zahnarztpraxis mit einer entsprechend übersichtlichen Anzahl an Mitarbeitern gehen wir davon aus, dass diese kleinen Organisationseinheiten nicht zu einem „Tatort“ werden. Damit ist gemeint, dass nicht davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter einer Zahnarztpraxis gegenüber ihren schutzbefohlenen Patienten gewalttätig werden, sodass der Missbrauch als Tatverdacht nicht im Raum steht. Anders sieht das in großen Krankenhäusern mit vielen beschäftigten Mitarbeitern aus. Aus diesem genannten Grund wird in dem hier beschriebenen Schutzkonzept für eine Zahnarztpraxis dieser Bereich ausgespart, beziehungsweise nur am Rande berücksichtigt.
Die Weichenstellung
Ziel ist es, Missbrauch und Gewalt insbesondere gegenüber vulnerablen Patientengruppen, wie beispielsweise Kindern und Jugendlichen oder hilfsbedürftigen Personen, vorzubeugen, zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Je nach Praxisgröße, Leistungsspektrum und Patientenklientel wird über das spezifische Vorgehen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter sowie weitere geeignete, vorbeugende und intervenierende Maßnahmen entschieden. Praxisintern dienen unter anderem wertschätzender Umgang, Vermeidung von Diskriminierung oder Motivation zu gewaltfreier Sprache diesem Ziel.
Zahnarztpraxen, die vorwiegend Kinder und Jugendliche versorgen, müssen sich gezielt mit der Prävention von und Intervention bei (sexueller) Gewalt und Missbrauch befassen. Daraus werden der Größe und Organisationsform der Einrichtung entsprechend, konkrete Schritte und Maßnahmen abgeleitet, wie z. B. die Etablierung eines Schutzkonzepts.
Die Verantwortlichen einer Zahnarztpraxis müssen die grundlegende Entscheidung treffen, ob sie sich mit der Prävention und Hilfe bei Missbrauch und Gewalt auseinandersetzen möchten. Wenn die Praxisleitung sich für eine Umsetzung entscheidet, müssen drei Kapitel bearbeitet werden, die sich wie folgt darstellen:
Hilfsbereitschaft sichtbar machen
Hinweise in den Räumen der Praxis sichtbar machen, dass Hilfesuchende erkennen können, dass sie sich an die Praxis wenden können.
Teamaufklärung
Mitarbeiter müssen zur Thematik geschult und sensibilisiert werden. Dafür müssen Unterlagen zur Vertiefung der Thematik entwickelt und vermittelt werden. Außerdem sind Regeln zum achtsamen Umgang untereinander aufzustellen. Es hilft zudem, jährliche Belehrungen zu entwickeln, die ein Abschwächen der Sensibilisierung vorbeugen.
Auf den Tag vorbereiten
Essenziell ist, Basiswissen zu erwerben, um Fälle von (sexueller) Gewalt zu erkennen und entsprechende Hilfen einleiten zu können. Dazu gehört auch der Erwerb von Wissen zu gesetzlichen Pflichten und zur Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls in Bundesrecht und Landesrecht und z. B. in Berufsordnungen von Landeszahnärztekammern. Informieren Sie sich zudem über lokale Hilfsangebote und verfassen Sie Musterbriefe an das Jugendamt.
Fazit
Diese Fachartikelserie umfasst insgesamt vier Teile. In der zweiten Ausgabe des Endodontie Journal werden wir uns mit dem „Sichtbarmachen“ der Hilfsbereitschaft in einer Zahnarztpraxis auseinandersetzen. Hierzu gehören die einzelnen Möglichkeiten, die hier in einem Schutzkonzept ihre Anerkennung finden. Interessierte Praxis können gerne weitere Informationen über ein Schutzkonzept für das zahnärztliche Gesundheitswesen beim Autor erhalten.